Kieler Woche 2020

Halsenverweigerer zwischen Hoch und Randtief

von Oliver Gronholz 20.09.2020
Alles anders bei der Kieler Woche 2020. Kein Gedrängel im Hafenvorfeld, da die Teilnehmerzahl begrenzt war. Anreise wie gehabt am Tor Süd direkt durch das ehemalige Olympiazentrum hindurch. Flugs den obligatorischen Mund-Nasenschutz aufgesetzt und den Joller abgeladen. Einteilung des Hafenvorfelds durch hohe Zäune in verschiedene Bereiche für die einzelnen Bootsklassen. Unser Standort war südlicher als gewohnt an den schmalen Rampen. Erstmals kein Camping an der Telefonzelle möglich, sondern auf dem Campingplatz abgestiegen. Eine grüne Rasenfläche ist auch mal ganz schön.

Anmeldung am nächsten Morgen ohne Wartezeit, dafür mit Fiebermessen. Bei dem leisesten Verdacht auf Fieber wurde gleich ein Corona Test durchgeführt. Man bekam einen Ausweis für das Hafenvorfeld. Nur dieser Bereich durfte betreten werden.
Kein Juni, sondern September, trotzdem reichlich Sonne am ersten Tag. Ab ca. 11:15Uhr im Neoprenanzug mit Mund-Nasen-Bedeckung am Boot warten, bis das Signal zum Auslaufen kommt. Die Klassen sollten auf diese Weise getrennt werden. Check-Out mit einem Armband am PC direkt an der Rampe.

11:30Uhr: Auslaufen Richtung Bahn Kilo. Wo ist das eigentlich? Bug in Richtung Kiel Leuchtturm ausrichten und 90 Minuten geradeaus – schon war man auf der Bahn. Unterwegs von allen Finns überholt worden, mit denen wir uns eine Bahn geteilt haben. Die Olympioniken pflegen mit dem Gummiboot an- und abzureisen.

Kompasskurse gemerkt und rauf auf die Startlinie, komisch, das Startboot liegt irgendwie ungewöhnlich zum Wind, erster Fehlstart, meine Erkenntnis: Da muss Strom sein. wieder Fehlstart. Da muss schiebender Strom sein und dann auch noch ganz schön viel. Erste Tonne mit Überhöhe erreicht: Wie war das mit dem Strom? Leider schon wieder vergessen. Mittelwind am ersten Tag mit schwierig zu segelnder Welle, da diese aus gefühlt allen Richtungen kam. Ungewohnte Trapezkurse mit dem Zieldurchgang raumschots, Mads Bendix und Andre Budzien haben die Tagessiege unter sich aufgeteilt. Drei Wettfahrten am ersten Tag. Rückweg: Erst 50 Minuten bis Bülk auf Backbord-Bug fahren, vor der Wende die Beine aufwecken und schütteln, um nicht zu stark durch das Boot zu stolpern und dann noch einmal 30-45 Minuten kreuzen bis Schilksee. Gut das wir nicht noch weiter draußen waren, da eigentlich die noch weiter entferntere Bahn Delta vorgesehen war. Abends grillen auf Abstand bei Peit im TSVS.


Zweiter Tag, mehr Wind, weniger Strom, dieselben Segler vorne, Andre hat das Trikot für den zweiten des vorläufigen Gesamtklassements nicht abgeholt, 2 Extrapunkte als Bestrafung für die vierte Wettfahrt. Dieses Trikot konnte er logischerweise dann auch nicht abgeben. Hierfür gab es in der letzten Tageswettfahrt noch einmal einen Extrapunkt. Sinn dieser Bestrafungen: unklar


Dritter Tag, noch mehr Druckunterschiede in der Atmosphäre, Zitat aus dem Wetterbericht: Luftdruckgegensätze zwischen dem Randtief und dem Hoch sind bereits am Morgen gut ausgeprägt.“ Vorhersage: bis zu 32 Knoten Wind in Böen, Teilnehmerfeld schon arg dezimiert, hohe Wellen, fliegende Gischt schon vor dem Start. Kompasskurse: Waren mir schon fast egal, einfach nur in irgendeine Richtung bohren, Überlebensmodus, erste Vormwindstrecke mit der rechten Tonne des Gates vollendet, eine Halse gespart, kreuzen ging noch ganz gut, nach dem Zieldurchgang dann noch mehr Wind.


Start des zweiten Rennens, flatternde Segel auf der Kreuz, großes Gedrängel an der rechten Leetonne, da war doch was mit der Halse, fast nur Halsenverweigerer, wieder kreuzen, raumschots mit flatterndem Segel zur nächsten Tonne, das Abfallen gelang mir nicht mehr, einfach weiter geradeaus fahren, kentern vermeiden, in die Sonne geschossen, kurzzeitig nichts mehr gesehen, Seenot? Noch nicht ganz! Kuhwende gefahren, Abfallen kaum möglich, Wellen runterfahren war mir nicht mehr möglich. Irgendwie ins Ziel gerettet und dann ab in Richtung Hafen. Die Wettfahrtleitung hat glücklicherweise keine dritte Wettfahrt an diesem Tag gestartet. Wir hatten ja noch das 100 Minuten Hafenrennen. Ankunft an der Rampe, totale Erschöpfung aber auch ein gutes Gefühl, gesegelt zu haben, Kommentar von einer KIWO-Helferin: „Sie müssen bis morgen aber noch die Werbung am Bug erneuern…“

Im Hafen hat sich dann eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Einige Segler haben damit begonnen, ihre Boote einzupacken. Der Wetterbericht versprach noch mehr Wind am kommenden Tag. Die OK-Jollen sind fast alle am Samstag bereits abgereist und geschlossen am Sonntag nicht mehr gestartet. Vor dem Hintergrund der weit entfernten Bahn, einem bedrohlich wirkenden Wetterbericht und den damit verbundenen Gefahren bin ich sehr stolz, zu dieser OK Gemeinschaft gehören zu dürfen. Der ein oder andere wagemutige OK-Segler wäre vielleicht gerne am Sonntag noch gesegelt, hat sich aber dem Votum der großen Mehrheit gebeugt. Vielen dank dafür! Gewonnen hat der Däne Mads Bendix vor Andre Budzien und Thomas Hansson-Mild.
Es bleibt eine letzte Frage: “Nächstes Jahr wieder Kieler Woche?“ Na klar, ich bin dabei vom 19.06.- 22.06.2021.
Grüße

Olli (GER-72)

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