Sturm über Kummerow

Ein lückenloser Tatsachenbericht

von Sönke Behrens 30.05.2016

Hätte ich doch bloß noch zu Hause getankt. Die Tankanzeige tendierte stark in Richtung Reserve und weil mein Tank die reinste Wundertüte ist, wurde ich langsam nervös, als in Tessin die Tankstelle nach 22:00 Uhr schon geschlossen hatte. Tessin? Dolce Vita am Lago Maggiore? Mit Nichten. So nennt sich der Ort an der A20 irgendwo zwischen Rostock und Greifswald. Noch tiefer ging es in die Provinz in der beschauliche Namen wie Gnoien oder Dargun an Mittelerde und Warcraft erinnern. Uns ist aber kein Hobbit oder Ork vor die Kühlerhaube gesprungen. Ehrlich gesagt entspannte sich die Lage, als in Nähe des Kummerower Sees wieder Leben in den Ortschaften wahr zu nehmen war und erst 10 Kilometer vor Ziel der Reservealarmpiep lostönte. Bei Tageslicht wäre der erste Eindruck sicher ein ganz anderer gewesen, wenn man von einer Anhöhe kommend, diese umwerfende Aussicht auf den Kummerower See gehabt hätte.

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Foto: Norbert Petrausch

Davon schwärmte auch Ronald, der sein privates „Anwesen“ für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte. Neben dem ehemaligen Gutshaus mit drei Ferienwohnungen und genügend Platz für Camper und Zelte, bietet das Gelände einen ehemaligen Kuhstall, der uns zum Frühstück und zu den Abendveranstaltungen unabhängig von den widrigen Wetterbedingungen machte. Dazu gehört ebenfalls noch ein Teil des kleinen Fischereihafens für den extra noch eine Rampe für den Slip gebaut wurde. Neben der Örtlichkeit hat Ronald alles an Familie mit eingebunden, was möglich war, damit wir uns wie bei Mutti zu fühlen. Der einzige Wehrmutstropfen, war der erneute Kälteeinbruch der (Sch)Eisheiligen, nachdem die Woche davor endlich schon mal Sommer war. Neben Kälte und Regen konnten wir auf jeden Fall mit jeder Menge Wind rechnen.

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Foto: Norbert Petrausch

Bei südwestlicher Windrichtung begann der Segeltag mit moderatem Wind, der schlagartig schon auf dem Weg zum Start auffrischte. Über den Tag schwankte der Wind neben der Richtung auch in der Stärke gefühlt zwischen 10 und 20 Knoten. Bei diesen Bedingungen hatte sich schnell die Hackordnung eingestellt. Sehr souverän segelten Martin und Olli, die den ersten Platz jeweils unter sich aufteilten. Ich war auch immer in der Nähe, habe es aber trotz häufiger Führung in der ersten und dritten Wettfahrt nie geschafft, einen Lauf zu gewinnen oder einmal beide hinter mir zu lassen. Wie er das macht, konnte ich Martin auf den unzähligen gemeinsam getrailerten Stunden auch immer noch nicht entlocken. Peit und Bernd Gülzow bildeten dieses Mal das Wettfahrtleitergespann auf dem Startboot, während Heike mit unterschiedlicher Unterstützung über die Tage Tonnen verlegte und den Parcour absicherte. Am ersten Tag haben wir das Kentern auch durchweg vermieden, um hier nicht zusätzlich für Stress zu sorgen. Für Ablenkung zwischen den Wettfahrten sorgte der Start einer Dickbootregatta zwischen unseren Rennen. Das war auch eigentlich das einzige Mal, dass mehrere Boote auf dem riesigen See zu sehen waren. Es ist schon erstaunlich, dass wir auf dem drittgrößten See Deutschlands und einem wirklich tollen Segelrevier nicht im Geringsten durch andere Segler beeinträchtigt wurden. Die große Bühne nur für uns, muss man mal gesehen und erlebt haben.

Den Abend verbrachten wir unterm Heizpilz mit Pils aus einer Brauerei dieser Gemarkung, die keine Sau kennt, schmeckt und einen gewaltigen Hektoliter Ausstoß hat. Netter Weise hatte Ronald auch seine Ambitionen als Bob der Baumeister zum Besten gegeben und sein Unterfangen eine Drainage mit einem 24 Tonnen Bagger anzulegen als Videopodcast präsentiert. Was dabei geschah wäre der Top Epic Bagger Fail auf YouTube. Zum Glück ist alles gut ausgegangen und mehr will ich hier nicht verraten. Bei Gelegenheit solltet Ihr Euch die Geschichte von Ronald direkt erzählen lassen.

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Foto: Norbert Petrausch

Sonntags hatte wir den meteorologischen Tiefpunkt erreicht. Tiefschwarz waberten die Gewitterwolken über den See und außer ein paar Verwegenen, zuckte keiner, um sich auf den See zu begeben. Das erste schwarze Monster des Tages hatte nur ordentlich Hagel zu bieten. Als wir aber dann draußen waren, fing es richtig an zu orgeln und als das durch war, fing es wieder an zu hageln. Diesmal so reichlich, dass sich eine Schneematschschicht an Deck bildete, aus der sich ansehnliche Schneebälle formen und verteilen ließen. Arschkalt, keine Sicht, Blitz und Donner, Hagel und Wind am Limit verzögerten den Start leider abermals um mehr als eine Stunde. So langsam machte sich Schwund auf dem Wasser bemerkbar und die Flotte war schon deutlich geschrumpft. Irgendwann ging es dann aber doch weiter und die erste Wettfahrt konnte sogar bei moderatem Wind gesegelt werden. Da es heute deutlich mehr oszillierte als am Vortag, haben Martin und Olli mit einem 10. und 8. Platz (oder 6er?) mal so etwas wie Spannung aufkommen lassen. Zum letzten Rennen des Tages ging es dann noch einmal in den Survival Mode. Bei Windstärken, die an den 30 Knoten kratzten, wurde von Material und Mensch noch mal alles abverlangt. Mein Material hielt nur bis zur Mitte der Startkreuz. Dann verabschiedete sich mein Fall mit einem lauten Knall und ich konnte im Schlepp beobachten, wie die OK`s Raumschots über den Parcour fegten. Hätte die Miststrippe nicht erst nach dem Dreieck reißen können?

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Foto: Norbert Petrausch

Der letzte Segeltag brachte wieder Sonne und der bissige Wind wirkt gleich weniger mürrisch. Es war aber der Tag mit konstanten kräftigen Windbedingungen und für den einen oder anderen dann leider doch wieder zu viel. Der erste Platz konnte sich eh nur noch zwischen Martin und Olli entscheiden. Durch mein Malheur des Vortags war ich jetzt Punktgleich mit Andreas und Bo Reker war auch nicht weit entfernt. Im ersten Rennen konnten sich Martin und Olli schon auf dem ersten Raumgang absetzen und den Vorsprung kontinuierlich vergrößern. Olli gewann vor Martin, Bo und mir. In der zweiten Wettfahrt durfte ich dann auch mal wieder den Platz an der Sonne genießen. Nachdem mich Olli auf der zweiten Kreuz schon arg bedrängte, konnte ich den Platz doch noch mit einem Schlag auf die Linke Seite sichern. Vor dem Wind blieb der Abstand konstant und alles schien endlich einmal ein glückliches Ende für mich zu nehmen, als der Wind kurz vor der Tonne nochmals auffrischte und ich mich zwischen Halse und Q-Wende entscheiden musste. Einmal den Arsch zum richtigen Zeitpunkt in der Hose haben, nicht zögern, stattdessen machte ich nix von beiden und drehte die Schaluppe am Leefaß auf den Kopf. Mit voller Badewanne wurde ich dann auch nur Sechster, was für meine Gesamtplatzierung egal war. Dadurch, dass Olli aber erneut erster wurde, konnte er mit Martin an ersten Plätzen gleichziehen. Bis auf das Streichergebnis hatten beide exakt die gleichen Ergebnisse und nur weil Olli die letzte Wettfahrt gewonnen hat, wurde er auch Gesamtsieger. Wäre ich vor Olli geblieben, hätte Martin gewonnen. Knapper geht’s nicht.

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Foto: Norbert Petrausch

Als Résumé bleibt mir nur zu sagen, dass diese Veranstaltung ein gelungener Einstand war. Neben einem tollem Revier, einer klasse Örtlichkeit und dem Engagement von Ronald, Peit und allen Helfern ist eine Wiederauflage jederzeit zu begrüßen. So kalt, regnerisch und windig wird es ja nicht immer sein und die weite Anfahrt ist es auf jeden Fall wert.

Ergebnisse:

1 GER 772 Oliver Gronholz SSC 1 2 3 8 2 1 1 10.0
2 GER 693 Martin v Zimmermann SCOE 3 1 1 10 1 2 2 10.0
3 GER 778 Sönke Behrens SCOE 2 5 2 5 DNF 4 6 24.0
4 GER 797 Andreas Pich LYC 6 3 6 2 3 6 8 26.0
5 DEN 1 Bo Recker Andersen HSK 5 12 4 1 5 3 11 29.0
6 POL 7 Marek Bernat KKS 7 9 5 DNS 6 8 9 44.0
7 GER 765 Rainer Pospiech YCBG 8 8 9 7 7 10 5 44.0
8 DEN 1407 Malte Pedersen KDY 10 11 16 6 11 5 3 46.0
9 GER 695 Erik Bork SSCRA 9 7 8 12 4 9 10 47.0
10 GER 776 Fabian Gronholz SSC 12 6 14 DNS DNS 7 4 66.0
11 GER 607 Gerd Breitbart SCOE 18 14 13 4 9 14 13 67.0
12 GER 697 Jörg Posny SCST 13 15 12 9 10 12 15 71.0
13 GER 688 Ronald Foest DRS 17 16 11 3 DNS 13 12 72.0
14 GER 735 Dirk Gericke SGE 14 17 19 DNS 8 11 7 76.0
15 GER 773 Dittmer Behrmann FSC 4 4 7 DNS DNS DNS DNS 84.0
16 GER 678 Heinz Ridder SGVP 15 19 18 11 13 15 14 86.0
17 GER 710 Christian Senst USV 11 10 10 DNS DNS DNS DNS 100.0
18 GER 633 Cornelia Wirbeleit SWS 19 18 15 13 12 DNS DNS 100.0
19 GER 640 Sven Marchot SGSP 16 13 17 DNS DNS DNS DNS 115.0
20 GER 788 Jessica Finke SKM 21 20 21 DNS DNS DNS DNS 131.0
21 BEL 214 Paul Verrijdt KLYC 20 21 DNF DNS DNS DNS DNS 133.0
22 GER 783 Wilhelm Kath SVN DNS 22 20 DNS DNS DNS DNS 134.0