Ganz schön exzentrisch

AGM-Sitzung in Neuseeland

von Thorsten Schmidt 07.01.2019
Wie bei jeder WM wird auch im Februar 2019 bei der Weltmeisterschaft in Neuseeland die Sitzung der OKDIA stattfinden. Vor einigen Tagen wurde die Tagesordnung mit den geplanten Wahlen und Regeländerungen veröffentlicht. Die Originaltexte findet ihr hier: Agenda

Die Sitzung ist geplant für Montag den 11.02.2019 und Mitglieder des deutschen WM-Teams werden das Stimmrecht bei der Abstimmung für uns alle wahrnehmen. Zum Abstimmungsverhalten bei den einzelnen Punkten bitte ich um Diskussion in unserem Forum.

1. Los geht die Sitzung mit der offiziellen, rechtskräftigen Annahme der Ergebnisse der letzten Sitzung in Warnemünde. Die Zusammenfassung der Beschlüsse der AGM findet ihr hier: Minutes

2. Im Anschluss folgen die Berichte des Vorstands der OKDIA, danach finden Wahlen statt. Der OKDIA-Präsident Mark Jackson aus Australien stellt sich ebenso zur Wiederwahl wie der amtierende Vizepräsident der Nordhemisphäre, der Schwede Jonas Börjesson. Als neues Mitglied für das technische Komitee wird Lars Edwall vorgeschlagen, ebenfalls aus Schweden.

3. Im Anschluss wird die überarbeitete Konstitution der OKDIA zur Abstimmung gestellt. Die vorgesehenen Änderung in unserer „internationalen Verfassung“ findet ihr im Originaltext gelb unterlegt: Constitution

Die erste Version der OKDIA-Konstitution ist von 1985. Zuletzt erfolgte 2015 eine Neufassung. In der aktuell vorgelegten Form sind Klarstellungen und Ergänzungen vorgenommen worden. Dies soll mögliche Fehlinterpretationen und Ungenauigkeiten des alten Textes beseitigen, Beschlüsse der letzten AGM-Sitzungen berücksichtigen und auch Fortschritte entlang der Road Map einschließen. Die aktuellen Änderungen des Textes sind gelb unterlegt.

Eine Erläuterung zu der neuen OKDIA-Konstitution findet ihr hier: Explanation

4. Auch im Regelbuch für die Durchführung von EM und WM gibt es etwas Neues. Künftig sollen Segler bis zum 23. Lebensjahr um die Jugend-Trophäe segeln. In der Veteranenwertung wird der Preis vergeben an Segler zwischen 40 bis 54 Jahre. Ab 55 bis zum 69. Lebensjahr segelt man um die Masters-Wertung und ab 70 kann man den Preis für die Grand Masters gewinnen. Wer’s braucht…

5. Künftig soll man auch mit nur einer! gewerteten Wettfahrt Welt- und Europameister werden können. Bei zehn ausgeschriebenen Rennen waren bisher mindestens fünf Wettfahrten erforderlich um die Serie als Welt- oder Europameisterschaft werten zu können. Die Vorschlag soll Druck von den Veranstaltern nehmen und verhindern das Rennen auf „Biegen und Brechen“ durchgezogen werden. Die Reduzierung auf nur eine einzige Wettfahrt ist aus meiner Sicht zumindest diskussionswürdig und könnte in Zukunft „Zufallsweltmeister“ hervorbringen.

6. Der nächste Abstimmungsblock beschäftigt sich mit den Klassenregeln.
Zur Anpassung an die „World Sailing Standards“ ist es erforderlich neue Messbriefe einzuführen. In Zukunft werden wir, wie in anderen Klassen bereits üblich, einen Messbrief allein für den Rumpf bekommen. Die Aussicht auf ganz viele verschiedene Vermessungsdokumente für Rumpf, Foils, Segel, Mast und Baum schreckte bei der letzten AGM noch viele nationale KVen ab und so wurde die Entscheidung über diesen Punkt um ein Jahr verschoben. Jetzt ist der Vorschlag für einen Messbrief allein für den Rumpf in der Welt und ich denke wir werden uns dieser Entwicklung als internationale Klasse nicht verweigern können.
Neues Messbrief-Formular: Measurement Form


7. Der nächste Diskussionspunkt betrifft Ausfüllungen im hinteren Schwertkastenende. Bei vielen OK-Jollen werden von den Bootsbauern am Schwertkastenende Auffüllungen, Einsätze und Abschrägungen angebracht um die Menge an Wasser im hinteren Bereich des Schwertkastens bei gefiertem Schwert zu reduzieren. Dadurch verdickt sich formal die Schwertkastenwand in diesem Bereich. Die AGM hat aber letztes Jahr die 10%-Regel als maximale Abweichung für die Rumpfdicke in allen Bereichen einschließlich des Schwertkastens bekräftigt um eine Gewichtskonzentration zu vermeiden.
Um die Klassenregeln der gängigen Baupraxis anzupassen werden zwei Vorschläge zur Regeländerung gemacht zwischen denen abgestimmt werden soll:

Option 1: Die Dicke des Schwertkasten darf um mehr als 10 % der Rumpfdicke variieren ab einem Punkt hinter dem vorderen Cockpitschott, wenn die Verdickung durch Schwertkastenausfüllungen oder Einsätze bedingt wird mit dem Ziel das Schwertkastenvolumen zu reduzieren.

Option 2: Die Dicke des Rumpfes mit Ausnahme von Stringern, Deck und Kielschwein muss über die gesamte Länge überall gleich sein mit einer maximalen Abweichung von 10%. (gestrichen wird in der bisherigen Regel die Einschließung des Schwertkastens in die 10%-Regel)

8. Weiter wird abgestimmt über Hängepolster und Extensionen im Hängedeck. Seit einigen Jahren benutzen viele OK-Segler Hängedeck-Extensionen aus Carbon. Letztes Jahr wurde eine entsprechende Regel zur Begrenzung dieser Ausreithilfen formuliert. Die Carbonplatten sind limitiert auf maximal 10mm Dicke über dem Seitendeck-Niveau mit einer Länge von maximal 55cm. Leider schließt die bisherige Regel keine Ausreitextensionen aus anderem Material ein. Theoretisch sind dickere und längere Verdickungen aus z.B. GFK oder Holz bisher nicht verboten. Diese Lücke soll mit dem neuen Regelzusatz geschlossen werden. Ausdrücklich werden alle gängigen, aber auch exotischen Bootsbaumaterialien von den oben genannten Beschränkungen für Hängepads jetzt mit eingeschlossen.


9. Der letzte technische Diskussionspunkt der kommenden AGM betrifft die Mastregel. Theoretisch ist eine möglichst aufrechte Position des Mastes bei Raumschot- und Vorwindkursen von Vorteil, während an der Kreuz in der Regel deutlich  mehr Mastfall als günstig eingeschätzt wird. Die maximale Beweglichkeit des Mastes nach vorne und hinten ist durch eine Regel begrenzt und wird auch kontrolliert.
Früher wurde das Spiel des Masts nach vorne und hinten in Höhe der Decksspur gemessen. Es war auf 7mm begrenzt. Seit einigen Jahren wird bei Vermessungen die Strecke zwischen Masttop und Spiegelachterkante gemessen wenn der Mast in der Mastspur jeweils maximal nach vorne und hinten gedrückt wird. Der Unterschied der zwei Messwerte darf nach aktueller Regelung höchstens 10mm betragen. Die meisten Carbonmasten stehen zentrisch im Decksring. Allerdings haben sich offensichtlich einige Bastler und Tüfftler an die alten Needlespar-Masten zu Aluzeiten erinnert, die exzentische Mastpositionen im Decksring aufwiesen.

Es soll jetzt auch einige wenige Carbon-Masten geben mit  exzentrischer Bohrung im Decksring, das heißt der Mast befindet sich nicht genau in der Mitte des Rings sondern an einem der Ränder. Dadurch verändern sich die Messwerte für den Mastfall und damit auch für das Mastfallspiel erheblich wenn der Mast sich dreht.
Befindet sich z.B. der Mast exzentrisch mehr im hinteren Bereich des Mastrings so wandert dieser Mast bei Drehung aus der Mitschiffsachse um 90° deutlich nach vorne, weil die Seiten des Decksrings, die ja in dieser Position das Mastspiel nach vorne und hinten begrenzen deutlich dicker wären als der hintere Decksringanteil.
Diese 90° Rotation passiert naturgemäß beim Auffieren der Schot auf dem Vorwindgang und erlaubt so eine deutlich aufrechtere Position des Mastes und bietet damit einen Vorteil. Und diese Veränderung ist nicht unerheblich: Ein exzentrischer Mast der in Mittschiffsposition ein legales Mastspiel von 100mm aufweist vergrößert die Differenz von Top zu Spiegelkante auf bis zu 180mm in der Vorwindposition.
Das technische Komitee hat lange über dieses Problem diskutiert und stellt jetzt drei Fragen an die AGM zum weiteren Vorgehen:
1. Sollen wir in Zukunft exzentrisch im Ring stehende Masten zulassen? Das würde allerdings bedeuten das wir zur alten Methode mit der Messung des Spiels in der Mastspur zurückkehren müssten. Würden wir weiter vom Top aus messen, müssten bei der Vermessung in Zukunft alle Masten auch in 90° Rotation gemessen werden. Damit wären exzentrische Masten praktisch aus dem Spiel bei einem Unterschied von schon 80mm bei 90° Rotation und einem maximalen Spiel von 100mm.
2. Sollen wir exzentrische Mastringe grundsätzlich verbieten? Die wenigen jetzt schon vorhandenen Masten mit exzentrischer Mastringposition sollten dann eventuell Bestandsschutz erhalten. Wir vermeiden damit einen gewissen „Umrüstungsdruck“ in der Flotte und begrenzen die nicht unerheblichen Kosten für neue Mastringe für alle anderen.
3. Wenn die Mitglieder auf der AGM sich für eine der beiden oben genannten Optionen aussprechen, soll dann eine endgültige Abstimmung darüber in den nächsten Wochen auf dem Postweg erfolgen? Damit könnte eine möglichst schnelle Regelung noch vor der nächsten AGM im August 2020 erfolgen.

Damit endet der Abstimmungsteil der AGM.

Wir als nationale OK-KV sollten über die einzelnen Punkte diskutieren und unser Abstimmungsverhalten für die AGM in Neuseeland abstimmen. Ich hoffe auf rege Diskussion im Forum.