Hin und weg

OK-Segeln vor und nach dem Mauerfall

OK-Presse 10.02.2018
Vor einigen Tagen war es soweit: Am 05.02.2017 war die Berliner Mauer auf den Tag genau solange weg wie sie vorher gestanden hatte.
Die Geschichte der OK-Jollen-Klasse in Deutschland ist fast genauso alt wie die der Berliner Mauer. Das ist Anlass genug, Sportler, die mit und ohne die Mauer OK-Jolle gesegelt sind nach ihren Erinnerungen zu befragen. Die Berichte von vier Zeitzeugen werden in zwei Teilen veröffentlicht, den Anfang machen Rainer Pospiech und Falk Hagemann.

Rainer Pospiech erzählt:
Eigentlich fing alles an mit den olympischen Spielen 1964 in Japan, also drei Jahre nach dem Mauerbau. Damals nahm noch eine gesamtdeutsche Mannschaft in Tokio teil und im Finn setzte sich der Westdeutsche Willi Kuhweide gegen den Ostdeutschen Bernd Dehmel in einem sehr umstrittenen Qualifikationsverfahren erst vor Ort in Japan durch und gewann schließlich auch die Goldmedaille. In der DDR wurde das zum Anlass genommen den Segelsport zu professionalisieren. Aus den Betriebsportgruppen waren in vielen Sportarten sogenannte Sportclubs entstanden, die die besten Talente zusammenführen und trainieren sollten. Für das Segeln entstanden in der DDR vier Sportclubs, zwei in Rostock (Empor und ASK)  und jeweils einer in Schwerin (Traktor) und Berlin (SCBG).

Rainer auf GO 55, gebaut von Detlef Schmitz bei der PGH Müggelspree

Ein Problem gab es aber: Es gab eine Lücke für die Jugendlichen zwischen den Kinderklassen Opti und Cadet und den olympischen Bootsklassen Finn und FD. Die OK-Klasse sollte diese Lücke perfekt schließen und Erhard Hake vom Müggelsee baute die erste ostdeutsche OK in der FES, dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten. Der Rumpf war zu schwer, -fast 100kg, aber die Jolle machte viel Spaß beim Segeln, war sportlich anspruchsvoll und ich durfte als stolzer Jugendlicher die OK GO 1 segeln.
1966 begannen dann einige andere Bootsbauer in größerem Umfang OK-Jollen zu bauen. Bereits ein Jahr später gab es etwa 30 Jollen. Der Erfolgreichste dieser Bootsbauer war Horst Schreiber, der neben vielen anderen erfolgreichen Meisterschaftsschiffen für seinen Sohn Detlef die legendäre GO 25 baute mit der dieser bereits 1967 DDR-Meister wurde.

SCBG auf großer Fahrt: 15jährige, natürlich ohne Führerschein aber ganz oben

1967 war ich einer von 5 Jugendlichen, die als erster Jahrgang im Sportclub Berlin-Grünau auf eine Kinder- und Jugendsportschule gingen. Ein Jahrgang über mir war Bernd Zirkelbach, ein Jahrgang unter mir begann Jochen Schümann mit dem Training. Nach der Schule gab es tägliches Training, Segeln, Technik- und Taktikschulung und athletische Ausbildung. Das Material zum Segeln war bestens, ich verfügte über einen Marstrand-Mast und jedes Jahr bekam ich ein neues Elvströmsegel. Dafür wurden aber auch Disziplin und Einsatzwille gefordert. Bei der Meisterschaft 1971 waren übrigens die ersten drei Schiffe Schreiberboote:

    1. Wolfgang Gantzen
    2. Rainer Pospiech
    3. Jochen Schümann

Irgendwann sollte für mich der Umstieg von der “Ausbildungsklasse” OK-Jolle in den olympischen Drachen erfolgen. Leider wurde der Drachen aber zu dieser Zeit aus dem olympischen Programm gestrichen und ich konzentrierte mich in der Folgezeit auf Medizinstudium und Arztberuf. Die OK-Klasse in der DDR wuchs auch nach meinem Ausstieg weiter, so dass bis zur Wiedervereinigung um die 700 OK-Jollen gebaut worden waren. Fast alle erfolgreichen Segler der DDR in diesen Jahren durchliefen das Ausbildungssystem der Sportclubs und sind so irgendwann auch OK-Jolle gesegelt.

Rainer bei der IDM 2017 in Flensburg Foto: (c) Ralph Linow

Nach der Wiedervereinigung war mein persönlicher Weg zurück zur OK-Jolle schwierig und voller Umwege. Zunächst verschlug es mich mit dem Mauerfall nach Kiel. Obwohl ich das Olympiazentrum von 1972 vor der Nase hatte, ließ mir dennoch die berufliche Tätigkeit als Oberarzt im Krankenhaus keine Zeit wieder mit dem Regattasegeln anzufangen.
Erst mit der Selbstständigkeit in eigener Praxis und dem Umzug zurück nach Berlin hatte ich wieder Gelegenheit regelmäßig zu segeln und mit dem Kauf der OK 225 im Jahr 2007 war der zweite Teil meiner OK-Karriere eröffnet. Inzwischen genieße ich die internationalen OK-Regatten in aller Welt, die fantastische Kameradschaft in der Klasse und die immer noch herausfordernden Segeleigenschaften der Jolle und das ganz ohne Mauer.

 

Falk Hagemann erzählt:
Bereits 1982 habe ich angefangen mit dem OK Segeln. In der DDR gab es zu dieser Zeit eine Trennung zwischen den professionell trainierenden Sportclubseglern und den Vereinsseglern. Ich habe das Segeln auf dem Schwielochsee beim sächsischen Wassersportverein gelernt. Für mich stand zu dieser Zeit das Regattasegeln nicht so sehr im Vordergrund. Es waren die Abenteuer und Erlebnisse am Wochenende in der Gruppe, zusammen mit den anderen Jugendlichen, die besonders wichtig waren, also Lagerfeuer, Spiele und das Gemeinschaftsgefühl.

Bild: (c) Seglervereinigung Einheit Werder 1952 e.V.

Gesegelt bin ich meist am Schwielochsee, über das Jahr hatten wir dort 5-6 lokale Regatten für Ok-Jollen und zuletzt eine Flotte von 13-15 Booten. Mit der Zeit erweiterten wir aber unseren Radius und mit der Jugendgruppe nahm ich dann in den späten 80er Jahren auch an der DDR-Meisterschaft teil und auch beim legendären BDS-Pokal in Potsdam mit meist 50 OK’s und nahezu 100 Mini-OK’s waren wir vertreten.

Bei den Meisterschaften gab es allerdings getrennte Wertungen für Vereins- und Sportclubsegler. Insgesamt hatte ich also wenig Kontakt zu den Profiseglern von den Sportclubs.
Dennoch waren die auswärtigen Regatten Highlights und zumindest einmal war ich an der Müritz und sogar auf der Ostsee vor Warnemünde, obwohl das immer eine Anmeldung zur Teilnahme an der Ostseewoche bereits im Winter voraussetzte.
Das größte Problem war, solange die Mauer stand, immer das Material. Wir hatten selbstgebaute Holzboote und natürlich Holzmasten und die sogar bis zur Wende 1989. Die Segel kamen meist von Plakotex und taugten gar nichts. Wer viel Glück hatte bekam ein gebrauchtes Segel von Bernd Zirkelbach, abgelegt von den Sportclub-Seglern und war damit der König der Flotte. Auch die Segelmacherei Gericke produzierte OK-Segel, aber da musste man das Segeltuch selbst mitbringen und das war ein rares Gut.
1985/86 baute die FES plötzlich einheitliche Kunststoff-Jollen für die Sportclubsegler um eine bessere Vergleichbarkeit unter den Seglern zu schaffen. Diese Boote waren viel zu schwer und plötzlich hatten wir als Vereinssegler mit unserem alten Material wieder eine Chance gegen die Profis.

Falk bei der WM vor Barbados 2017 Foto: (c) Michael Kurtz

Mit der Wende stand mir sofort der Sinn nach Abenteuer und Reise.
Meine erste gesamtdeutsche Meisterschaft am Wittensee 1990 mit ziemlich genau 100 OK’s bin ich noch mit altem Material gesegelt , aber schnell besorgte ich mir von Frank Schönfeld eine Blaue Palme und ein Clownsegel.
Auch wenn ich damit 1991 bei der Kieler Woche von Karsten Hitz fast überrundet worden bin, waren die neuen Möglichkeiten zum Reisen und das unbegrenzte Materialangebot ein riesiger Motivationsschub für mich. 1992 erwarb ich einen gebrauchten Hein-Rumpf und von diesem Zeitpunkt ging es auch mit den Regattaergebnissen voran. Viele der OK-Segler aus den Sportclubs hörten sehr schnell auf mit dem Segeln, der harte Kern der Vereinssegler aber, so wie Charly Gericke oder Kai Nickelkoppe blieben nahtlos dabei und genossen die neue jetzt internationale OK-Gemeinschaft.

Rückblickend bin ich nach dem Fall der Mauer viel intensiver und mit mehr Ehrgeiz gesegelt als früher und eine WM-Teilnahme wie letztes Jahr in Barbados ist einfach ein wahrgewordener Traum.

Foto: (c) Michael Kurtz