Hin und weg Teil 2


OK-Segeln mit und ohne Mauer

gesammelt von OK-Presse 18.02.2018
Vor kurzem war ‘Zirkeltag’ für die Berliner Mauer und auch OK-Segeln gibt es im vereinigten Deutschland genauso lange wie vorher im geteilten. Im zweiten Teil der Mini-Serie ‘Hin und weg’ berichten Erik Bork und Christian Hartmann über Zeitgeschichte in der OK-Jolle.

Erik Bork erzählt:
Wie viele andere habe ich mit dem Segeln im Verein meiner Eltern begonnen. Mit dem, von meinem Vater Jahre vorher für meinen Bruder gebauten Holz-Opti ging es mit 5 oder 6 Jahren los. Nach einer erfolgreichen Anfangszeit auf Vereinsebene sorgte Dieter Below dann dafür, dass ich 1983 in einem Trainingszentrum anfangen durfte.
Trainingszentren waren Sichtungsstationen um talentierte Kinder und Jugendliche aus den Vereinen und Betriebssportgruppen zu erfassen, zu trainieren und die wiederum Besten auszusieben. Diese wurden dann ab einem bestimmten Alter den Kinder- und Jugendsportschulen an den Sportclubs zugeführt.
In meinem Trainingszentrum wurde in der Regel zweimal die Woche trainiert, an den Wochenenden gab es Regatten. Zwar bekamen wir nun deutlich besseres Material, aber ich erinnere mich, dass wir uns am Anfang im Training zu viert eine Mini-OK teilen mussten. Drei Kinder saßen mit dem Trainer im Motorboot, während der vierte Segler in einer OK von der Pahlwerft segeln durfte. Die Regatten am Wochenende waren im Berliner Raum meist auf dem Wasserweg zu erreichen, bedeuteten aber auch teilweise stundenlange Schleppfahrten. Unser Trainer Edgar Jambor spielte eigentlich erste Geige an der Staatsoper, fuhr aber unermüdlich im Sommer mit uns über die Seen und sorgte im Winter für Athletik-Training in der Turnhalle und theoretische Schulung.
Eigentlich blieben die meisten Kinder etwa drei Jahre in den Trainingszentren. Wegen meines späten Einstiegs ins Trainingszentrum wechselte ich bereits nach einem Jahr auf eine Kinder- und Jugendsportschule. Voraussetzung dafür war aber ein ziemlich harter Leistungstest mit theoretischer Prüfung und insbesondere der Ausdauertest war berühmt-berüchtigt.
Meine Kinder- und Jugendsportschule war dem Sportclub Berlin-Grünau angegliedert. Diese Schulen richteten ihren Unterrichtsplan nach der sportlichen Ausbildung, die erste Stunde begann um sieben Uhr und es gab nur kurze Pausen zwischen den Unterrichtsstunden, um schon mittags das Schulpensum erledigt zu haben. Das Training begann dann nach dem Mittagessen und ging meist bis in die Abendstunden. Natürlich wurde täglich in der OK-Jolle trainiert, bei jedem Wind und Wetter. An den Wochenenden fanden häufig Regatten statt, nun aber per Transport mit Bus und großem Anhänger, denn die Reviere (Müritz, Ostsee etc.) waren nicht mehr auf dem Wasserweg zu erreichen. Trotz des nachgeordneten Unterrichts profitierte ich als vorher eher durchschnittlicher Schüler auch lerntechnisch von der neuen Schule, da wir nur zu siebt in der Klasse waren.


Auch medizinisch wurden wir während meiner insgesamt drei Jahre bestens betreut. Selbstverständlich gehörte zur Planung der Segelkarriere auch eine Untersuchung hinsichtlich zu erwartender Körpergröße und Statur. Bei mir stimmt die damals gemachte Prognose auf den Zentimeter, nur war ich immer zu leicht und mit der für mich vorgesehenen Laufbahn im Finn wäre es schwierig geworden. Zu keinem Zeitpunkt wurde versucht dem Kraftaufbau medikamentös nachzuhelfen, mit Doping hatte der Segelsport in der DDR im Gegensatz zu anderen Sportarten nichts zu tun.
Ich blieb insgesamt von der 8. bis zur 10. Klasse an der Jugendsportschule und habe in der Zeit sehr viel gelernt. Nicht nur richtig zu Segeln, sondern z.B. auch den „inneren Schweinehund“ zu überwinden. Weil für Leistungssegler die zukünftigen Studiums- bzw. Berufsfelder recht eingeschränkt waren und ich eigene Pläne hatte verließ ich nach drei Jahren den Sportclub und wechselte auf eine andere Schule.
Mit der Wende verlegte ich meine Segelaktivitäten zunächst aufs Urlaubssegeln mit dem Charterboot im Mittelmeer. Erst 2003 habe ich wieder mit dem OK-Segeln angefangen. Damals kauften wir alte OK-Jollen aus der Region auf. Häufig waren die Jollen in schlechtem Zustand und wenn die Lenzer fehlten dann wurden die Löcher im Boden eben zugeklebt und die Boote so schnell wie möglich von z.B. der „BVB-Insel“ ans Ufer gepaddelt. Nach mehreren komplett mit Bootsbauarbeiten gefüllten Winter, haben wir mittlerweile acht ordentliche, segelfertige OK’s im Club und es ist zur Zeit wieder großes Interesse auch von Jugendlichen zu spüren.
Jetzt habe ich die Freiheit zu reisen und zu segeln wohin ich will, das habe ich vorher schon als starke Einschränkung erlebt. Ich genieße den Regattasport auf Amateurebene und am Abend kann ich ein Glas Wein trinken ohne Ärger mit einem Trainer zu bekommen. Wenn Kuhsturm ist darf ich nun selbst entscheiden, ob ich mir das wirklich antue und es gibt bei allem nur eine Motivation: Spaß

Erik Bork nach der Wende

 

Christian Hartmann erzählt:
Regattasegeln vor dem Mauerfall bedeutete für mich meist in ein anderes Land zu reisen. Der Transitweg war genau vorgeschrieben, die Strecke durfte nicht verlassen werden und selbstverständlich gab es unzählige Blitzer, immer auf der Suche nach Westwährung. Jede Fahrt nach Westdeutschland war mit jeweils zwei Grenzübertritten verbunden und bei den Kontrollen an der Grenze spielte sich immer ein Schauspiel ab. Manchmal wurden Boot und Auto durchsucht, immer galt es aber einen offensichtlich fest vorgeschriebenen Fragenkatalog der Grenzer zu beantworten. Es wurde gefragt nach dem Nummernschild des Bootsanhängers und ob Kinder oder Waffen mitgeführt wurden. Mit der Zeit entwickelten wir bei dem Fragespiel eine gewisse Routine und schon beim Herunterkurbeln der Scheibe berichteten wir ungefragt: Hänger- gleiche Nummer wie das KFZ, keine Kinder, keine Waffen. Manchmal beschleunigte das die Prozedur, gelegentlich standen wir aber auch schon mal eine halbe Stunde zur Strafe in irgendeiner Ecke, scheinbar unbeachtet aber streng bewacht. Eines nachts, so gegen 01.00Uhr, auf der Rückreise von der Kieler Woche antwortete ich wieder mit dem üblichen Spruch: Hänger-gleiche Nummer, keine Kinder, keine Waffen. Der offensichtlich gut gelaunte Grenzbeamte der DDR fragte daraufhin schlagfertig: Hänger? Immer die gleiche Nummer? Deswegen keine Kinder?
In den 70er Jahren gab es eine eifrige Westberliner OK-Flotte, Lutz Patrunky, Olympiateilnehmer 1984 als Ersatzmann im Finn, ist vielleicht der Bekannteste. Bis 1983 wurde in Berlin eine OK-Regatta gesegelt um das legendäre Posthorn. In diesem Horn soll sich eine Kugellagerkugel verkeilt haben und keiner soll trotz größten Einsatzes jemals wieder einen Ton aus dem Instrument herausgebracht haben. Mitte der 80er Jahre aber war die Luft raus auch aus der lokalen OK-Flotte. Das Posthorn bleibt bis heute verschwunden und wahrscheinlich auch weiterhin stumm.

Kay Nickelkoppe links, wenige Stunden nach Maueröffnung beim Grand Slam 1989

1987, nach wenigen Jahren Pause, startete unsere Klasse aber wieder in Berlin-West. Anfang November beim Grand Slam, ausgerichtet vom Royal British Yachtclub auf der großen Breite, konnten wir mitmachen und die Teilnehmer reisten ausnahmslos aus der BRD über die Transitstrecke an. Ich selbst segelte zu diesem Zeitpunkt 470er wollte aber gerne mal eine OK ausprobieren. Von Reemt Reemtsma, zu der Zeit KV-Vorsitzender der OK-Klasse, konnte ich seine OK GER 621 für den Grand Slam ausleihen. Es war kalt, das Fall war vorher schon angerissen und pünktlich, vier Minuten vor dem Start kam das Segel von oben. Ziemlich hilflos trieb ich in Richtung Schilfgürtel, als mir Tom Gosch, -wie immer im ‘Zweireiher’ statt in richtigen Segelklamotten unterwegs, zur Hilfe eilte. Auf meinen Hinweis auf den doch gleich stattfindenden Start den er nun verpassen würde, entgegnete er mir nur, ich solle mir keine Sorgen machen, das sei alles geregelt. Tatsächlich veranstaltete die übrige Meute einen Massenfrühstart für mich, den Unbekannten in Seenot und mein Herz war an die OK-Klasse verloren.
Im November 1989 öffnete sich die Mauer und wenige Stunden nach diesem historischen Ereignis war Kay Nickelkoppe der erste Ostdeutsche Teilnehmer bei einer Regatta im Westen überhaupt. Rüdiger Prinz gewann vor Reemt und Kirstin Brandt. ‘Nico Koppe’ konnte sich als 10. gut platzieren und für uns alle fing eine neue Zeit an ohne Fragen nach Hängern, Kindern und Waffen.

Christian Hartmann hängt, -keine Kinder oder Waffen an Bord