Die verwunschenen Flieger

Ein Märchen zu Weihnachten

K. Ruprecht   18.12.2016
Es waren einmal ein paar OK-Jollensegler in Dänemark, die nicht nur enorm trainingsfleißig waren, sondern auch wahnsinnig innovativ. Ständig auf der Suche nach weiteren technischen Verbesserungen und nach brachliegendem Geschwindigkeitspotential beim OK-Segeln puschte sich eine Gruppe von Spitzenseglern gegenseitig zu immer spektakuläreren Höchstleistungen.

Ausgerechnet zur Weihnachtszeit verbreitete sich in Windeseile eine verrückte Idee bei unseren nördlichen Nachbarn:  Mit Hilfe von Zaubergerätschaften sollte es segelnd gelingen sich aus  dem Wasser zu erheben um vogelgleich zu fliegen.  Von der Idee zum Versuch brauchte es nicht lang und schon bald sah man buntes Treiben auf der winterlichen Ostsee.

Schon beim Aufbruch in das Weihnachtsabenteuer mussten die Helden Mut und Geschicklichkeit beweisen: Das Schwert mit den neu angebrachten Flügeln wurde von unten in den Schwertkasten eingesetzt und eine Veränderung an der Stellung der lustigen Fortsätze, die die Experten bald nur noch  “Foils” nannten, konnte nur in durchgekentertem Zustand des Bootes vorgenommen werden. Das alles, während die entfesselten Elemente ringsherum tobten.

Viele zog es hinab in die eiskalten, tödlichen Fluten, oder aber sie verloren beim Streben nach dem großen Glück ihr ganzes Vermögen und sogar Beruf und Familie.

Und obwohl sich die Besten der Besten versuchten, gelang es zunächst keinem der Helden mit ihren selbstgebastelten Anhängseln an Ruder und Schwert die Naturgesetze außer Kraft zu setzen.

Aber eine kleine Schar der Wagemutigsten der OK-Segler gab nicht auf, tüftelte, probierte aus und scheiterte doch immer wieder am großen Ziel: Einmal mit der OK-Jolle über dem Wasser schweben.

Malte Pedersen versucht den Fühler am Bug optimal einzustellen

Eines Tages aber stellten sich erste Erfolge ein.  Malte baute als Erster einen Meeresfühler an den Bug des Bootes an. So sollte die Stimmung der Wellen besser erfasst werden und der geeignete Moment zum Abheben gefunden werden können-eigentlich eine tolle Idee. Trotz dieser Verbesserung stellten sich zunächst nur kleine Fortschritte ein, zu kompliziert gestaltete sich die Kunst.

Stefan gelang es schließlich mit geduldiger, akribischer Arbeit über den Fühler die Sprache des Wassers zu verstehen. Aber wie antworten um sich zu erklären?

Stefan Myralf kurz vor dem Abheben

Viele Tage und Stunden waren auf dem Wasser zugebracht aber noch war nichts erreicht außer ein paar kurzen Hüpfern mit den noch immer nur segelnden Kisten.

Bo Reker Andersen fliegt vielleicht

Zu dieser Zeit stand ein kurze, unangenehme Welle auf der Ostsee vor Hellerup, der Heimat der unerschrockenen Helden. Dieser gemeine Umstand, verursacht durch dunkle Mächte, verhinderte es weiterhin, dass den Versuchen der tollkühnen dänischen Weihnachtssegler Erfolg beschert wurde. Wie sollte das nur weitergehen auf der grauen See? Hatte sich denn alles gegen die tapferen Seefahrer verschworen?

Wie es aber eigentlich nur im Märchen sein kann, wendete sich die böse Magie der dunklen Mächte ins Glück für unsere Helden. Genau diese heimtückische Welle nämlich sorgte eines Tages für den entscheidenden Durchbruch:
Am Schwert von Bo Reker Andersen hatte der schlagende Seegang eine Befestigungsschraube an den Foils gelöst und der tollkühne Segler wusste sich auf dem großen Meer nicht anders zu helfen, als die jetzt beweglichen Flügel notdürftig mit der Leine des Fühlers zu verbinden,um sie nicht zu verlieren. Über diese, dem Zufall geschuldete Verbindung von Fühler und Foils konnten die Segler jetzt nicht nur die Stimme des Wassers wahrnehmen und die Sprache Dank der Studien von Stefan verstehen, sondern sie konnten den wilden Strömungen jetzt auch direkt antworten über die nun verstellbaren Flügel des Schwerts.

Und dann war es endlich soweit!

Nach der Überlieferung war es ausgerechnet der Weltranglistenerste, Bo Petersen, der zum ersten Mal den alten Traum vom Fliegen wahr machte und alle Mühen, alle irdische Qual und auch die Schwerkraft hinter sich ließ. Mit der Zeit lernten auch alle anderen das Fliegen mit der OK-Jolle.

 

Geschafft!

Weil aber ein jedes seinen Preis hat und auch die schönste Rose Dornen, so blieb der Versuch, den Mächten der Natur zu trotzen, auch in unserer Geschichte nicht ohne Folgen. All jene OK-Segler, die auch nur einmal über die Fluten geflogen waren wurden von nun an von den bösen Mächten dazu verdammt, dies immer und immer wieder tun zu müssen, ja sogar bis an ihr Lebensende.

…und wenn sie nicht gestorben sind, -was wir nicht hoffen, dann fliegen sie noch heute!

Frohe Weihnachten!