Nichts Genaues weiß man nicht!

Wie der Schwingtest funktioniert-Physik für OK-Segler

von Martin von Zimmermann  14.03.2015

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Die Dänen haben es also getan und den Schwingtest durchgeführt. Aber was genau ist das eigentlich und was lernt man daraus, das soll hier anschaulich erläutert werden.
Für die OK-Jolle gilt, wie für jeden anderen Körper, dass seine Bewegung durch die Kräfte bestimmt wird, die auf ihn einwirken. Die Reaktion eines Körpers auf eine einwirkende Kraft wird durch die Trägheit bestimmt. Bei linearen Bewegungen ist das die Masse. Es ist offensichtlich dass ein schwereres Boot letztendlich langsamer sein wird wenn die gleiche Kraft, also z.B. der Vortrieb durch das Segel einwirkt.
Allerdings führt ein Boot, insbesondere bei bewegtem Wasser, neben der linearen Bewegung (in Fahrtrichtung und zur Seite als Abdrift) auch Rotationsbewegungen aus, z.B. das Auf- und Ab des Rumpfes beim Kreuzen gegen die Wellen.

 

Diese Rotationsbewegungen werden ausgeführt, wenn eine Kraft nicht im Schwerpunkt des Körpers, angreift sondern an einem anderen Punkt. Zum Beispiel hebt eine Welle das Schiff am Bug an und die OK rotiert um den Drehpunkt. Wie stark die Rotation ausfällt ist natürlich unter anderem abhängig von der einwirkenden Kraft,  aber eben auch vom Trägheitsmoment des Körpers, also unseres Jollenrumpfs. Der Schwingtest untersucht genau diesen Trägheitsmoment der von Rumpf zu Rumpf offensichtlich nach den ersten Messungen so unterschiedlich ist.

140904003031942400_resizedDas Trägheitsmoment beschreibt die Massenverteilung eines Körpers.
Um dies ein wenig zu veranschaulichen, denken wir uns einfach ein Brett, so wie sie z.B. bei Deutschen Meisterschaften für die vorderen Plätze mit Plakette verteilt werden oder wie man es benutzt, um darauf morgens sein Brötchen auf zuschneiden.

 

 

Das Gewicht eines solchen lässt sich leicht feststellen. Nicht viel weniger schwer lässt sich der Schwerpunkt bestimmen indem man an drei verschiedenen Punkten ein Loch ins Brett bohrt, es an jedem der Löcher an einen Nagel hängt und von dem jeweiligen Aufhängepunkt eine Linie senkrecht auf das Brett nach unten malt. Der Schwerpunkt befindet sich da wo sich die drei Linien auf dem Brett kreuzen.

Bleibt also noch das Trägheitsmoment. Um dies zu bestimmen hängen wir das Brett an einem der Löcher nicht zu weit vom Schwerpunkt auf und stoßen es zu einer Pendelbewegung an. Nun misst man die Schwingungsdauer, also die Zeit, die das Brett benötigt um einmal nach rechts und einmal nach links zu pendeln. Man kann sich vorstellen, dass der Abstand des Lochs zum Schwerpunkt die Schwingungsdauer bestimmt, je größer der Abstand desto länger die Schwingungsdauer. Ebenso kann man sich vorstellen, dass ein Brett bei dem die Masse auf dem Rand verteilt ist langsamer schwingt als eines, bei dem das Gewicht wie bei unserem Brett mit der Medaille im Schwerpunkt konzentriert ist.

140903999709114600_resizedBeim Schwingtest wird unser Brett an zwei Punkten mit verschiedenem Abstand zum Schwerpunkt aufgehängt und jeweils mit der gleichen Kraft in Schwingung versetzt. Die Schwingungsdauer wird unterschiedlich sein. Da wir nur den Abstand verändert haben, alle anderen Größen aber gleich bleiben, können wir aus den beiden Zeiten und der Abstandänderung das Trägheitsmoment unseres Bretts mit einer Formel berechnen.
Bei näherem Studium der Gleichungen zeigt sich, dass man durch die Bestimmung der Schwingungsdauer um zwei Punkte mit unterschiedlichem Abstand zum Schwerpunkt sowohl die Lage des Schwerpunkts erhält, als auch das Trägheitsmoment ausgedrückt als Trägheitsradius. Der Trägheitsradius ist der Abstand von der Drehachse, bei dem man, wenn theoretisch die gesamte Masse des Bretts dort konzentriert werden könnte das gleiche Trägheitsmoment für dieses „virtuelle Brett“ erhalten würde.
Für echte Objekte wie eine OK-Jolle gibt es nun verschiedene Achsen um die man das Trägheitsmoment bestimmen könnte, allerdings spielt beim Segeln die Rotation um die horizontale Achse die größte Rolle, bei der sich der Bug und das Heck auf und ab bewegen.

140903993703452300_resizedZur Messung dieser Trägheitskomponente hängt man also das Schiff nacheinander an zwei Punkten mit unterschiedlichen Abstand zum Schwerpunkt auf, lässt den Bug auf und ab-pendeln und misst jeweils die Schwingungsdauer. Aus diesen beiden Werten lässt sich sowohl die Lage des Schwerpunkts als auch der Trägheitsradius mit jedem handelsüblichen Telefon und den entsprechenden Gleichungen auf den Zentimeter genau bestimmen.

Was lernt man nun aus diesen Werten? Dazu vereinfachen wir die OK-Jolle auf einen Holzbalken von 4m Länge und einem Gewicht von 72 kg, der dann etwa einen
Querschnitt von etwa 20 x 20cm² hat. Dieser hat ein Trägheitsradius von 1.15 m.
Dies entspricht einer OK ohne Ausgleichsgewichte mit theoretisch komplett homogener Gewichtsverteilung, die es in Wirklichkeit so nicht gibt.

Berechnen wir jetzt eine moderne OK-Konstruktion mit 5kg Ausgleichsgewichten am Schott, dies ist   ja praktisch eine legale Gewichtskonzentration und eine zusätzliche (verbotene) Konzentration von 5kg Bootsgewicht um den Schwerpunkt herum, so beträgt der Trägheitsradius 1.07 m, also 7 % weniger. Was heißt das?

Wenn ein OK-Rumpf  7% schwerer wäre bei der Vermessung und statt der idealen 72kg plötzlich 77kg wiegen würde, könnte das den Eigner schon mal nervös machen.

Aber hat der Trägheitsradius tatsächlich einen ähnlich großen Einfluss auf die Segeleigenschaften wie das Rumpfgewicht?
Dazu müsste man die Energien vergleichen, die in den Rotations- und den linearen Bewegungen stecken, was nicht so einfach ist, da auch die Wellenbildung berücksichtigt werden müsste.
Fest steht allerdings, dass die Energie linear von der Masse abhängt aber quadratisch vom Trägheitsradius, letzterer also möglicherweise einen großen Einfluss hat.

140903999508611800_resizedWie verändern sich die Messungen berücksichtigt man die Segelpraxis?  Das Gewicht von Ruder, Schwert und Mast und auch das Gewicht des Seglers der vorteilhafterweise bei der Regatta die meiste Zeit mit an Bord ist, das alles kann der Schwingtest so wie er in Dänemark durchgeführt wurde nicht berücksichtigen.

 

 

Wieviel vom Effekt der Gewichtskonzentration auf die Bootsgeschwindigkeit bleibt dann noch übrig?

Fest steht nur, dass beim Tümpelflitzen der Trägheitsradius keinen Einfluss auf die Performance hat.
Beim „german lake sailing“ zeigt sich der echte Könner.