Tschö Tommy, maach et jood!

Thomas Neveling ist gestorben

von Uwe Böhm 13.02.2021
Am 24.12.2020, also am Heiligabend bist Du von uns gegangen. Mit 68 Jahren sicherlich deutlich zu früh, doch für Dich sicherlich ein Stück weit Erlösung. Das Leben in den letzten Monaten war für Dich nicht mehr wirklich lebenswert, es zog an dir stumm vorbei. Seit Mitte letzten Jahres hast Du abwechselnd im Krankenhaus oder im Pflegeheim gelegen. Als ich Dich mit Nicole im Pflegeheim besucht habe, merkte ich schnell, dass dort nicht mehr der Tommy vor mir im Bett liegt, den ich seit nun mehr 36 Jahren kannte und schätzte.
Was genau die Ursache deines gesundheitlichen Verfalls war, kann ich nicht einmal genau sagen, ich vermute, es waren mehrere kleine Schlaganfälle, deren Folgen Du nicht überlebt hast.
Mit diesen Sätzen lasse ich einfach mal meine Gedanken Revue-passieren.

Meine erste Begegnung mit Dir war im Jahr 1986, Rübe und ich begannen gerade mit dem OK-Segeln. Für die damals sehr große OK-Flotte in Haltern (ca. 20 aktive OK-Segler) warst Du der Flottenkapitän. Rund um das Thema OK wusste niemand so gut Bescheid wie Du. Wer, was, wann wo abgeht in der OK-Szene, das wusstest Du ganz genau. Du hast uns als Neulinge herzlich willkommen geheißen und wir wurden schnell integriert in die OK-Meute Haltern. Deine Schwerhörigkeit machte es damals schon schwer, eine normale, ruhige Unterhaltung mit Dir zu führen, in Party-Atmosphäre ging es gar nicht. Dennoch konntest Du sehr gut unterhalten, denn auf den unzähligen, gemeinsamen Regatta-Trips mit Dir erinnere ich mich sehr genau, wie viel Du zu erzählen hattest! Auf dem Weg zum Lac-De Madine, nach Antwerpen oder wo auch immer es gemeinsam in Deinem Bulli hinging, das Radio blieb meistens aus, gerade in der Zweisamkeit merkte man Dir an, das du viel zu erzählen hattest. Für mich sehr faszinierend war die Tatsache, welch beeindruckendes Allgemeinwissen in Dir steckte.
Vermutlich war es Deinem Junggesellenleben geschuldet, das Du sehr viel gelesen hast. Abgesehen davon, dass Du bereits am Mittwoch den kompletten Inhalt des am Montag erstandenen „Spiegel“ auswendig berichten konntest, erzähltest Du unzählige Geschichten aus dem Regattaleben, speziell von „damals“.

 

Ich lauschte Deinen Geschichten immer mit großem Interesse, gerade die Anekdoten von den alten, frühen Zeiten, aus den 70er und 80er Jahren in der OK-Klasse fand ich immer sehr spannend. Für Dich war OK-Segeln nicht nur ein fantastischer Sport, für Dich war es auch eine „Lebenseinstellung“. Keine Ahnung, ob es anderswo auch so war, aber in Haltern waren die OK-Segler in den 70er Jahren die Chaoten und Revoluzzer!
Ja, in Dir steckte auch ein kleiner Revoluzzer…Tommy! Jetzt erst, nachdem Du von uns gegangen bist, haben wir einige Details Deiner Jugend erfahren: In Köln geboren, als kleines Kind nach Gelsenkirchen umgezogen weil Dein Vater als Leiter der Werbeabteilung von Küppersbusch dort Karriere machte. Den offensichtlich hohen Ansprüche Deines Vaters, konntest Du, so habe ich es in der Trauerrede wahrgenommen, nicht immer gerecht werden. Ich glaube, dass dieser Druck Dich in Deinem Lebenslauf sehr geprägt hat.
Für mich warst Du immer eine ehrliche Haut und ein streitbarer Zeitgenosse. Du warst ein „kölscher Jung”, gefangen im Körper eines Ruhrgebietlers! Beide Welten lagen Dir am Herzen, den kölschen Slang hast Du niemals abgelegt, jedoch konntest Du auch wie ein Schalker brüllen! Aufgrund Deines Junggesellendaseins hast Du gewisse Marotten entwickelt, die uns OK-Segler manchmal das eine oder andere Grinsen ins Gesicht zauberten. Für unsereins normale Vorgänge, wie z.B. Boote auf dem Hänger verzurren oder einfach nur Frühstück machen, hatten für Dich eher einen zeremoniellen Charakter. Mit Deiner stoischen Art die Dinge anzupacken hast Du gewiss so manchen Mitfahrer zur Weißglut gebracht. Nach der Regatta warst Du stets der letzte Segler, der noch sein Boot auf dem Hänger verstaute. Wer versuchte Dich eines Besseren zu belehren oder Dich zu beschleunigen, wurde mit einer oberlehrerhaften-Tadelansprache in seine Schranken verwiesen. Wer Dich gut kannte, hat Dich einfach machen lassen und widmete sich anderen Dingen.
Im Laufe der Jahre schritt die Schwerhörigkeit stets voran, trotz Hörgeräten standest Du oft abseits der diskutierenden Segler nach der Wettfahrt, aber du warst dabei und solange Dein Körper es zuließ, bist Du aufs Boot gestiegen und rausgefahren. Viel Wind war nie Deins aber rausgefahren bist Du immer. Das habe ich immer sehr bewundert. „Ich probiere es wenigstens, wenn es zu viel wird, fahre ich halt rein“ sagtest Du oft. Du warst, wie viele von uns, nicht der Anwärter für große, sportliche Titel aber irgendetwas in Dir trieb dich immer wieder zu den OK-Regatten. Ich bin mir sicher, dieses „Etwas“ in uns kennen viele OK-Segler, gerade die unter uns, die schon länger dabei sind. Die OK-Klasse hat etwas Besonderes. Trotz der gesundheitlichen Einschränkungen bist Du selbst ohne Boot zur einen oder anderen Regatta mitgereist, das war schön. Für Dich, glaube ich, war es einfach wichtig, unter OK-Seglern zu sein, sie waren Deine Familie, sie gaben Dir einen gewissen Halt.


Dein Engagement in der OK-Klasse war einfach riesig. Lange Jahre warst Du Regional-Obmann NRW für die OK und mit treuen Weggefährten wie Peit hast Du jedes Jahr im Januar die OK-Klasse auf der Bootsmesse in Düsseldorf vertreten. Peit hat dann die Woche über bei Dir in Meerbusch gewohnt.
Apropos „Halt“. An dieser Stelle möchte ich die besondere Beziehung von Dir zur Familie Stephan noch erwähnen. Seit ich mich zurückerinnern kann, warst Du die letzten 25 Jahre Dauergast im „Hause Stephan“. Klaus, mit dem Du ohnehin extrem viel unterwegs warst, hielt immer die Wohnungstür für Dich auf. Ich behaupte mal, dass Du zwischen April und Oktober sicherlich 90% aller Wochenenden in Haltern verbracht hast und auf der Couch bei Klaus und Elke geschlafen hast. Du gehörtest einfach irgendwie mit zur Familie. Nur an der Handvoll Wochenenden, an denen Du mit Deiner Mutter zur „Mess op Kölsch“ nach Köln fahren musstest, war Segeln hinten an gestellt. Klaus Stephan war es, der Dich als Freund die letzten Jahre sehr eng begleitet hat. Er hat miterlebt wie Du abgebaut hast. Im letzten Jahr hat Klaus viele Dinge des täglichen Lebens für Dich geregelt weil Du einfach den Alltag ohne Hilfe nicht mehr bewältigen konntest. Klaus arrangierte Deine Versorgung im Pflegeheim, sogar deinen „letzten Gang“ organisierte Klaus gemeinsam mit Deinem Cousin. Aus meiner Sicht eine beeindruckende, menschliche Leistung ein wahrer Freund halt.

Tommy, Du wirst uns, -speziell dem OK-Team Haltern, im Gedächtnis bleiben. Wir werden ganz sicher demnächst mit einigen Pils und Kölsch auf Dich anstoßen, denn Geschichten mit Dir und über Dich gibt es viele zu erzählen. Du hast die OK-Klasse so lange begleitet, da ist reichlich Gesprächsstoff vorhanden.
Mach’s gut.

Ein Weggefährte
Uwe
GER 599