Unfinished Business

OK-Segler und Mini-Transat-Finisher Andreas Deubel im Gespräch

von OK-Presse 04.03.2018
Andreas du bist bis 2013 erfolgreich OK gesegelt, seit vielen Jahren Kassenwart unserer OK-KV und hast im Herbst am Mini-Transat 2017 teilgenommen.
Warum Mini-Segeln, wo du doch eigentlich so viel Spaß in der OK-Klasse hattest?

Vor der OK bin ich einige Zeit mit der X79 Regatta gesegelt und hatte so schon Hochsee-Erfahrung gesammelt. Richtig angefixt hat mich 2011 ein Film von Henrik Masekovits über das Mini-Transat von 2007. Nachdem der Film zwei Jahre in meinem Kopf gearbeitet hat, habe ich dann das Mini-Rennen 2013 sehr intensiv verfolgt und dann auch die Entscheidung getroffen selbst teilzunehmen. Es war irgendwie anfangs nur eine Idee, ein Traum, der dann langsam immer konkreter wurde je mehr ich mich damit beschäftigt habe. Ende 2013 habe ich dann meine OK-Jolle verkauft um mir 2014 in Paris auf der Bootsausstellung eine gebrauchte Mini6,50 kaufen zu können. Klar, ein bisschen Kohle musste ich noch drauf legen ;) und dann ging es los.

Was ist das besondere an der Class Mini 6,50, warum diese Klasse?

Ich wollte sehr gerne Hochseesegeln und zwar am liebsten im Regattamodus. Wegen der tollen Erfahrung in der OK wollte ich auch unbedingt ohne Crew, also Einhand und ganz auf mich allein gestellt über das Meer segeln und die Mini bietet da eigentlich die einzige wirklich bezahlbare Option. Außerdem gilt der Zusammenhalt in der Class Mini6,50 zu Recht als ähnlich gut wie der bei den OK-Seglern.

Trotzdem ist das Segeln mit der Mini doch viel komplexer?

Natürlich ist das Handling des Bootes komplett anders und zusätzlich gibt es Herausforderungen durch Wetter, Routing, Navigation und einfach die pure Länge der Regatten. Aber ich hatte ja Zeit mich an viele Dinge heranzutasten, habe alle möglichen Fortbildungen gemacht, Navigieren gelernt, Funkschein und andere Qualifikationen gesammelt und eben viel Zeit investiert. Alles dauert irgendwie mit so einem Schiff immer viel länger. Mit der OK zu einer Wochenendregatta zu fahren ist deutlich unkomplizierter. Slippen, aufriggen, vorbereiten und reparieren, alles dauert ewig und allein die vielen Fahrten nach Lorient in Frankreich kosten Tage.
Die Qualifikationsregatten für das MiniTransat-Rennen habe ich deswegen zeitlich großzügig geplant und dann in der Zeit zwischen 2014 und 2016 erledigt. Diese Phase ist wirklich sinnvoll, weil ich am Ende nach vielen Reparaturen, Austausch von Ausrüstung und jeder Menge Seemeilen ein wirklich top-ausgerüstetes Regattaschiff hatte und trotzdem passieren dann eben immer noch unvorhergesehene Dinge.

Wie läuft dann das Rennen selbst ab? Wird da am Start richtig um Positionen gekämpft?

Zunächst mal ist die Verabschiedung im Hafen einfach unvorstellbar. Der Steg mit den Schiffen ist bereits vorher tagelang belagert von Segelfans, ganze Schulklassen entern die Boote, ein riesiges Publikums- und Medieninteresse begleitet den Start des Rennens und natürlich war auch meine Familie dabei. Dann werden die Teilnehmer durch einen engen Kanal hinausgeschleppt, wie Gladiatoren werden die Segler vorgestellt und wildfremde Menschen auf den Kaimauern rufen deinen Namen. So müssen sich Popstars fühlen. In dem Moment ist mir doch irgendwie klar geworden, das es gleich los geht und dass das alles keine normale Regatta ist. Irgendwie hatte ich schon ein mulmiges Gefühl im Magen. Beim Start ist kein einziges Schiff wirklich an der Linie: Das Rennen ist ewig lang und ein Frühstart wird mit einer 24h-Zeitstrafe belegt, sodass sich natürlich alle zurückhalten, eine Minute früher oder später, das spielt wirklich keine Rolle.

Wie erging es dir denn dann in der gefürchteten Biskaya?

Die ersten Stunden werden natürlich komplett von Hand gesteuert, das Feld ist eng, alles voller Schiffe, Begleitboote und irgendwann auch Fischer und Berufsschifffahrt. Jeder versucht sein Boot optimal einzustellen und schnell zu machen, wie bei jeder OK-Regatta auch. Langsam zieht sich das Feld auseinander und du versuchst deinem Routing zu folgen. Leider passierte mir dann das Missgeschick mit der Antenne. Die AIS-Antenne hatte sich in der heftigen Welle der Biskaya im Propeller des Windmessers verfangen und ich musste in den Mast.

Da gibt es das herrliche Video von deinem Ausflug in den Mast, dass ja sogar in der ZDF-Sportreportage zu sehen war.  Video

Das war gar nicht lustig: Ordentlich Wind und Schwell und dann musste ich allein in den Mast ohne Hilfe, ohne Backup. Zum Schluss hatte ich die Hosen voll und den Magen leer, aber der Windgeber arbeitete wieder. Das gleiche Problem hatte ich bereits ein Jahr zuvor bei einer Vorbereitungsregatta und immer noch dachte ich an einen unglücklichen Zufall.

Du bist dann im Verlauf der ersten Etappe in ein riesiges Flautengebiet geraten.

Ich habe mich bis zu diesem Zeitpunkt an mein vorher festgelegtes Routing gehalten und lag auf der östlichen Seite des Feldes. Wir bekommen während des Rennens ja nur die offiziellen Wetterinformationen und nur Angaben zum Ranking im Feld. Mit Booten in der Nähe kann man Kontakt über AIS aufnehmen und ich konnte mich zunächst mit zwei Seglern abgleichen und war ziemlich zufrieden mit Speed und Position. Irgendwann, nach einer ausnahmsweise etwas längeren Schlafphase von 30 Minuten war ich plötzlich allein auf See, kein anderes Schiff mehr über Funk zu erreichen und der Wetterbericht erzählte ungerührt von einem 200×300 Seemeilen großen Flautengebiet.

Viele OK-Segler kennen dich gut und wissen wie ehrgeizig und ambitioniert du eigentlich bist, dass du eigentlich immer gewinnen willst.

Ich bin zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ziemlich verzweifelt gewesen. Meine anfangs gute Position wurde von Tag zu Tag schlechter, die Konkurrenten im Westen fuhren einfach vorbei und ich konnte nichts tun. Es gab lange nicht mal die Aussicht auf Besserung und irgendwann musste der Frust raus. Als mich der in der Flaute schlagende Baum erwischte, hatte ich endlich einen fassbaren Gegner und ging in den Infight. Nach der Prügelei mit der Metallstange war der Druck raus, den Rest des Rennens konnte ich wirklich genießen und war absolut tiefenentspannt.

Nach einer Pause auf Las Palmas startete dann einige Tage nach deinem Zieleinlauf die zweite Etappe.

Ich hatte mir für den Abschnitt über den Atlantik viel vorgenommen. Diesmal wollte ich richtig gut und schnell segeln und vor allem hoffte ich ohne Schäden und Pannen durchzukommen. Leider sollte sich jetzt meine Fehleinschätzung hinsichtlich der AIS-Antenne rächen. Es war eben kein Zufall das sich die Antenne schon zweimal verhakt hatte sondern ein Konstruktionsfehler. Natürlich hätte ich zwischen den Etappen diesen Fehler leicht beheben können. So aber passierte das Desaster ein drittes Mal. Nach gutem Start und sehr ordentlicher Position im Feld zerschlug die Antenne das Windrädchen bei einer Patenthalse so vollständig, das eine Reparatur auf dem Wasser nicht möglich war. Es folgte der Landfall auf den Kapverden, die Reparatur und ein 12h-Strafaufenthalt. 15 Mini-Segler fuhren in dieser Zeit vorbei, aber immerhin konnte ich 9 Positionen bis ins Ziel wieder aufholen.

Wie sah dein Segelalltag auf der langen Etappe in die Karibik aus?

Natürlich gab es auch lange Phasen mit Leerlauf, ich war nicht permanent mit Segelwechseln oder ähnlichem beschäftigt. Musik gehörte tagsüber immer dazu und irgendwie entwickelt sich ein eigener Rhythmus. Bei Sonnenaufgang habe ich die Solarpaneele ausgerichtet, etwas gegessen, Segel getrimmt, Kurs und Position kontrolliert. Um 11:00 Uhr folgte der Wetterbericht und die Positionsmeldungen. Ich habe dann die Taktik für die nächsten Stunden zurechtgelegt und irgendwie war meist irgendetwas zu tun. Es gab zum Beispiel Unmengen von Seegras, das sich mit Vorliebe an Kiel und Ruderblättern verfing. Durch ein Sichtfenster im Boden konnte ich das immer gut beobachten und dann war es mal wieder Zeit für einen beherzten Sonnenschuss. Meist fiel in Seitenlage das Gras dann ab, gelegentlich musste ich auch mal unter Vollzeug für eine Minute rückwärts zu segeln. Hing das Kraut an einem der Ruderblätter folgte unweigerlich eine Dusche: Unter die Travellerschiene am Heck geduckt, direkt über dem Wasser, verursachte ich mit meinem Arm regelmäßig einen ordentlichen Schwell ins Gesicht.
Nachts klingelte etwa alle 30 Minuten der Wecker, es folgte eine kurze Kontrolle des Schiffs und nach 10 Minuten konnte ich den Wecker wieder neu stellen für die nächste Schlafphase. Ich habe diesen Schlafrhythmus vorher nicht geübt, bin aber trotzdem ziemlich gut damit zurecht gekommen.

Hattest du denn auch deine persönliche Sherry-Time?

Alkohol hatte ich überhaupt nicht an Bord. Gegessen habe ich meist dehydrierte Fertignahrung und im Nachhinein ist klar: Ich hatte viel zu viel zu Essen dabei. Immerhin weiß ich jetzt was von dem Trockenkram schmeckt und was furchtbar ist. Wenn ich nochmal…

Was ist der größte Unterschied zum ‘normalen’ Regattasegeln?

Taktisch geht es letztlich nicht um die Gegner, kein Kampf Boot gegen Boot, sondern nur um das beste Wetterrouting und den Bootsspeed. Auf der 2. Etappe habe ich 14 Tage kein anderes Boot gesehen. Das ganze Rennen gleicht eher einem schnellen Überführungstörn im halben Blindflug. Die Wetterdaten über das Radio sind nämlich sehr grob und weitere Informationsquellen stehen nicht zur Verfügung.

Ist deine Abenteuerlust und dein Bedarf an Hochseesegeln jetzt gedeckt?

Fürs Erste sicherlich. Ich bin sehr zufrieden mit der Performance des Bootes und auch segeltechnisch hatte ich die ganze Zeit ein gutes Gefühl. Trotzdem ärgere ich mich über das doppelte Missgeschick mit der Antenne und meine falsche Routingentscheidung auf der ersten Etappe. Ich bin zwar grundsätzlich mit mir und meiner Platzierung im Reinen, aber dennoch fühlt sich das Ganze nach ‘Unfinished Business’ an. Wer weiß was alles noch so passiert in den nächsten Jahren..

Wie geht deine Segelkarriere denn jetzt weiter?

Ich habe meinen Mini verkauft und muss nun erst mal wieder arbeiten und Geld verdienen um die ganze Kampagne zu bezahlen. Dieses Jahr werde ich mir noch keine neue OK-Jolle kaufen können, aber für die Pre-Worlds und die OK-WM in Warnemünde habe ich ein Charterschiff. Vielleicht ergibt sich ja auch noch etwas für die eine oder andere OK-Regatta.
Ach so, da fällt mir was ein: Am Donnerstag 08.03.2018 werden die KV-Jahresbeiträge von euern Konten abgebucht. Also-bitte sorgt für ausreichende Deckung.

Andreas vielen Dank für das Gespräch und willkommen zurück in der OK.