Buntes Meinungsbild zu den Regelvorschlägen der Dänen
Gesammelt von Thorsten Schmidt 14.11.2020
Vor knapp vier Wochen wurden an dieser Stelle Änderungsvorschläge der dänischen KV zu unseren Klassenregeln vorgestellt. Dabei ging es um die Einführung eines Null-Grad-Ruderblattes, die Änderung der Kennzeichnungspflicht für die Rümpfe und den Umgang mit Cockpit-Linern/Gewichtskonzentration. Vergleiche hierzu auch „Ganz gerade“
Die Kommentare von Euch sind in der Reihenfolge ihres Eintreffens sortiert.
Olli Gronholz:
In der Europe hatten wir früher 0-Grad Ruder, was den Ruderdruck erheblich reduziert hat. Steuern auf der Kreuz ist viel leichter und die Ruderwirkung ist ausreichend. Beim Start oder wenn man im Wind steht muss man dann mit dem Segel arbeiten. Insgesamt finde ich, dass man das auf jeden Fall ausprobieren sollte. Dann hat man in den Armen wenigstens keinen Muskelkater mehr wegen des Steuerns oder muss sogar auf der Kreuz die Hand wechseln. (Ja das ist leider die Wahrheit. Gegen Ende einer langen Kreuz wechsle ich manchmal die Steuerhand, obwohl ich nicht wende.) Ich freue mich auf spannende Diskussionen im Winter.
Christian Raschke:
Recht hast du. Wenn schon nicht viel gesegelt werden kann, dann drüber reden. Ich hatte mir meine erste OK-Saison mit dem alten Schiff von Jörg Posny, der ja jetzt mit Mickis Boot rumsegelt, definitiv anders vorgestellt. Und im Korsar ging leider ähnlich wenig. Aber wegen des Ruders sprich mal mit den Korsarseglern aus eurem Verein. Die Klasse hatte das Thema vor drei oder vier Jahren. Genau wie die Dänen jetzt – haben sie zwei, drei Prototypen eines geraden und etwas schlankeren Ruders bauen lassen, mit Standardbeschlägen ausgerüstet und eine Saison lang von möglichst vielen Seglern bei Regatten testen lassen. Inzwischen ist die Regeländerung durch und neue Boote gehen nur mit dem neuen Ruder aus der Werft. Ob es aber wirklich schneller ist, ist nach wie vor umstritten. Der Ruderdruck wird geringer, weshalb das Segeln bei viel Wind und Welle vor allem weniger anstrengend ist. Wer sein Schiff – auch mit altem Ruder – so trimmt, dass er nur so viel Ruderdruck hat, wie gewünscht, hat aber auch keine Probleme. Und die benetzte Fläche ist nahezu identisch, so dass auch das keinen Unterschied macht. Es gibt in Süddeutschland sogar viele, die bei wenig Wind immer noch auf das alte Ruder schwören, weil es sich damit zum Beispiel am Start viel besser und unauffälliger wriggen lässt. Wobei das bei dem steileren Ruder nichts ist, was nicht mit etwas Fahrt im Schiff zu lösen wäre. Beim Korsar kann man natürlich auch immer noch viel mit Hilfe des Vorsegels manövrieren, das kann ich nicht einschätzen, wie es sich bei der OK verhält. Ich glaube, es ist Geschmackssache und viel Glaube. Aber klar ist auch: Wer daran glaubt, wird das Geld für ein neues Ruder ausgeben. Bei den Korsaren hatten wir einen ganz guten Deal mit einem Bootsbauer der Prototypen für die ersten Serien der neuen Blätter hergestellt hat. Die Pinne wird ja einfach reingesteckt und ist „recycelbar“. Aber in der Masse macht er das nicht und bei Mader kostet ein neues Ruderblatt -aus GFK wohlgemerkt, inzwischen irrsinnige 680 Euro. Ich glaube, was die Performance angeht, ist das Geld in Rigg und Segel besser angelegt.
Karsten Kraus:
Moin Thorsten, erster Gedanke von mir: „Toll dann kann ich ja eine Form machen und viele neue Ruderblätter verkaufen“. Das ist aber ein Absurdum, wenn man das aus ökologischer Sicht betrachtet. Die alten Ruder kommen in den Müll und müssen entsorgt werden. Das würde den grünen Fußabdruck der OK-Klasse sicher verschlechtern. Besser ist es, wenn das Material langlebig ist und die Boote und Zubehörteile aus nachhaltigen Materialen gebaut werden. Der Klimawandel ist einfach schon da: Vor 15 Jahren bin ich Regatten gesegelt im Oktober, wo gerade so eben positive Temperaturen gewesen sind und jetzt liegen die Temperaturen im zweistelligen Bereich!
Deshalb sollten wir immer daran denken: Meist ist weniger mehr!
Zu Cockpitlinern: Ja das ist ok. Und wenn die alten Boote dafür das Ausgleichgewicht um 2kg ins Zentrum vom Boot befestigen dürfen ist das schon mal eine Möglichkeit, dass die alten OK´s attraktiv bleiben.
Christian Heinze:
1.Ruder: Halte ich nicht für notwendig, nach meiner Meinung wird sich im Handling nicht viel ändern.
2.Identifizierung Boot: Auch hier sollte weiter der Rumpf durch ein nicht zu entfernendes Zeichen genau identifizierbar sein.
3.Hier lehne ich die vorgeschlagene Sonderregelung der Dänen ab. Nach jeder genehmigten Sonderregelung wird es weitere Sonderregelungen geben, keiner weiß dann, was noch gilt.
Peter Lakshmanan:
1. Dieser erste Punkt ist natürlich sehr interessant. Wir haben etwas sehr ähnliches vor einigen Jahren im Vaurien eingeführt. Das Vaurien-Ruder ist ja eigentlich auch nach hinten geneigt, wenn man es aber „anders rum“ montiert (und die Profilierung ändert), wäre es senkrecht. Es gab viele lautstarke Befürworter, die Argumentation war ganz ähnlich wie von dir beschrieben. Ich hab das damals (weil ich gerne und viel bastele) mal ausprobiert, mir dafür extra ein passendes Ruder gebaut. Der Ruderdruck war tatsächlich geringer, aber die Nachteile auch sehr schnell deutlich: Bei wenig Fahrt reagiert das Boot nur noch schlecht, wriggen wird sehr schwer und (was vermutlich das wichtigste Argument ist) bei viel Wind und viel Fahrt wird das Boot unsteuerbar: Wenn die Strömung am Ruder abreißt, tut sie das so plötzlich und vollständig, dass das Boot fast zwangsläufig aus dem Ruder läuft. Halbwind-Gleiten wurde zum Eiertanz. Ich hab das vertikale Ruder nach zwei oder drei Tests in die Ecke gestellt. Auf Regatten ist das Votum auch ziemlich eindeutig: Es gab in den letzten Jahren auf der WM max. zwei Boote, die das vertikale Ruder verwenden. Keiner von denen war vorne. Zumindest scheint bei den Vauriens erwiesen, dass vertikal nicht schneller ist.
2. Die Nummer permanent im Rumpf zu markieren ist natürlich mehr als sinnvoll. Man könnte aber als Option die Internationale WS-Nummer eingravieren. Das ist für Bootsbauer ggf. auch einfacher, da sie die Nummer einbringen können, unabhängig davon, wo das Boot hin verkauft wird. Fände ich logisch …
3. Klarer Fall von: „Sonderregelungen machen das Leben nur schwerer“. Besser besser vermessen. Da bin ich voll bei dir. Wobei das wichtigste natürlich ist, die Konkurrenzfähigkeit alter Boote zu erhalten. Wenn man das nicht schafft, geht’s bergab. Auch hier spreche ich aus Vaurien-Erfahrung. Hier wurde vor Jahren mal verpasst, eine Werft in ihre Schranken zu weisen. Die Folge war, das alte Boote nicht mehr konkurrenzfähig sind und das Potential an Seglern der Klasse radikal verkleinert wurde. So, als hätte man eine neue Klasse unter dem alten Namen geschaffen.
Greg Wilcox (übersetzt):
Vorab: Dies ist meine persönliche Meinung und natürlich kein offizielles Statement, zumal ich zu den Themen kein wirkliches Insider-Wissen habe.
Ruder: Die meisten der neuen Rümpfe und sogar die Holzboote aus der Selbstbauform haben einen nach unten geneigten Spiegel bis zum Maximum des Erlaubten. Bei Ausnutzen der Toleranz beim Abstand von Spiegel zu Ruderblattvorderkante steht das Ruder jetzt schon nicht bei 15° sondern eher bei 6-7°. Wenn jetzt ein Null-Grad-Ruder erlaubt wäre würde das Ruderblatt nach vorne unter den Rumpf ragen. Ich habe keine Ahnung ob das schneller ist, aber sicher würde das Ruderblatt tiefer eintauchen und somit auch mehr Wasserwiderstand bieten. Eigentlich ist es besser das Ruderblatt nicht soweit eintauchen zu lassen, um den Wiederstand zu verringern. Warum also jetzt den umgekehrten Weg gehen?
Zudem würden wir auch mehr Seegras aufsammeln und mit einem steileren Ruderblatt wird man das auch nicht so leicht los. Wer sich da noch an Barbados erinnert weiß wovon ich rede..
Das Boot soll angeblich mit einem steileren Ruderblatt leichter zu steuern und besser ausbalanciert sein. Dem kann man natürlich entgegnen, das man die OK nur gut genug einstellen müsste damit es leichter steuerbar ist.
Ein anderer Aspekt ist die Länge der Pinne. Nach meiner Wahrnehmung bevorzugen die Dänen eher kurze Pinnen und haben dann mit kürzerem Hebel entsprechend mehr Kraftaufwand beim Steuern. Warum diese dänische Vorliebe aber dazu führen soll, das die ganze OK-Flotte weltweit umgerüstet wird und Kosten und Aufwand verursacht werden, erschließt sich mir nicht.
Außerdem möchte ich nicht gerne mit einem solchen Ruder bei 25 Ktn. in Warnemünde oder Kiel vor dem Wind segeln. Die OK ist bei solchen Bedingungen schon jetzt schwer genug zu kontrollieren, bei weniger Ruderwirkung wird das sicher nicht einfacher.
Rumpfnummer: Sorry, aber das muss weiter Regel bleiben. Ansonsten kann sehr schnell die Historie einer OK verloren gehen. Die ISAF-Plakette ist nur ein Aufkleber und eignet sich nicht als eindeutige Identifikation eines Bootes, schließlich kann sie geändert oder ersetzt werden. Die Regel schreibt ja nicht zwingend das Eingravieren der Rumpfnummer vor, sondern die Nummer kann auch als Schild dauerhaft aufgeklebt werden. Damit ist bei Eignerwechsel auch über Nationengrenzen hinweg die Geschichte der Jolle nachvollziehbar und erleichtert so die Arbeit der Vermesser.
Gewichtskonzentration: Hier ist die Regel klar. Cockpit-Liner sind erlaubt innerhalb der 10% Regel für die Rumpfdicke. Die Herstellung der OK-Jollen wird mit den Linern einfacher, schneller und letztendlich auch preiswerter. Persönlich denke ich, dass das Thema der Gewichtskonzentration schwierig und wenig kontrollierbar ist. (Hört bloß auf mit dem Schwingtest, der funktioniert einfach nicht). Seit 40 Jahren werden Boote gewichtskonzentriert gebaut, und wahrscheinlich ist der Zug um das zu verhindern vor langer Zeit abgefahren. Auch ein Holzboot kann heute sehr leicht und gewichtskonzentriert gebaut werden und die neuen „Woodie’s“ brauchen alle Ausgleichsgewichte. Zur Zeit ist die Regel über die Position der Gewichte klar. Wenn die Position der ersten 2 Kg freigegeben wäre für Boote ohne Inliner würde das Blei neben den Schwertkasten ins Innere der Tanks auf den Boden wandern, also ziemlich genau 10mm nach vorne genau in den Schwerpunkt des Bootes. Ich halte es für keine gute Idee eine Regel für die eine Art und eine andere Regel für die andere Sorte Boote einzuführen. Wir wollen alle in der gleichen Klasse segeln und brauchen dann auch für alle die gleiche Regel. Die verschiedenen neuen Bootsbauer auf der Welt fertigen alle ihre Rümpfe mit den modernen Techniken auf ähnliche Art und Weise. Ich glaube nicht, das der eine oder andere Rumpf wirklich schneller ist. Außerdem besteht kein Zweifel, das die neuen Holzboote und die Selbstbauboote der Kiwis mehr als konkurrenzfähig sind. Die Resultate sprechen da für sich, obwohl die Holzboote die Ausgleichsgewichte wie alle anderen auch an der üblichen Stelle haben.
Jörg Janhsen:
Bei uns segeln einige Klappruder mit 0 Grad. Der Ruderdruck geht dann angeblich fast gegen null, was ich persönlich für gut ansehe, da ich mit dem feststehenden Ruder immer sehr viel Ruderdruck habe. Je stärker der Wind umso stärker der Ruderdruck. Allerdings ist das sicherlich für einige wieder ein ziemlich hoher finanzieller Aufwand, sich ein neues Ruder anzuschaffen. Das sollte auch bedacht werden.
Frank Strelow:
Ruderblatt: Hier sehe ich, selbst wenn es geringe Verbesserungen zum Steuerverhalten geben sollte, keinen Änderungsbedarf, denn die Luvgierigkeit kann auch mit der Mastposition verändert werden und der mögliche Gewinn durch einen geringeren Winkel wiegt die Kosten für neue Ruderblätter meiner Meinung nicht auf. Also hier sehe ich keine Veränderungsbedarf. Auch eine freie Wählbarkeit der ersten 2 KG an Ausgleichsgewichten halte ich nicht für sinnvoll, da hierdurch Boote, die genau das Gewichtslimit erreichen, benachteiligt werden. Eine klare und fest eingravierte Bootsnummer, die das Boot zu jeder Zeit identifizierbar macht, auch wenn umfangreiche Umbauarbeiten vorgenommen wurden, halte ich für sinnvoll. Diese könnte möglicherweise ja auch ohne die Buchstaben für die Länder durchlaufend erfolgen.
Lutz Boguhn:
Ich bin gegen eine neue Ruderblattform. Allein schon aus Kostengründen und das bei fraglichem Nutzen. Zur Zeit haben wir alle das gleiche Material, sind gleich schnell, warum also etwas ändern?
Warum die Nummer eingraviert sein soll erschließt sich mir nicht. Aber nach der jetzigen Regel ist es ja schon erlaubt eine fest angebrachte aber aufgeklebte Rumpfkennung zu haben. Ich sehe keinen Änderungsbedarf. Zu den Cockpit-Linern und Ausgleichsgewichten: Warum eine Sonderregel für alte Boote? Auch mit alten Booten kann man betrügen wenn man es darauf anlegt. Da helfen nur gute Kontrollen.
Charly Gericke:
Es ist sehr gut, wenn innovative Ideen breit diskutiert werden. Das mag ich sehr. Ich bin voll deiner Meinung zu den drei Vorschlägen. Bestimmte Neuerungen sollten auf ihre sinnvolle Nutzung hinterfragt werden.
Ralf Tietje:
Ich sehe das mit dem Ruder und den Sonderregeln für zusätzliche Ausgleichs-Gewichte wie du.
Das muss wirklich nicht sein.
Bei der ID-Nummer für die Rümpfe bin ich bedingt bei den Dänen.
Warum nicht die WS-ID, die ja als Aufkleber auch da ist eingravieren?
Das ist Länder-übergreifend und vor allem eine eindeutige Zuordnung.
Robert Deaves (übersetzt):
Die Weiterentwicklung unserer Klassenregeln sollte in erster Linie dazu führen sie klarer zu machen. Regeln sollten geändert werden um Missverständnisse und Konflikte bei ihrer Auslegung zu vermeiden.
Das Ziel der Regeln soll sein, das alle Boote vergleichbar und wettbewerbsfähig sind. Es geht nicht darum Vorteile aus Neuentwicklungen zu ziehen, die nicht allen gleichermaßen zur Verfügung stehen, also die Ungleichheit zu fördern und auch noch Kosten zu verursachen.