Die Büchse der Pandora

Was sollen wir Schwingen, das Boot oder die Moralkeule?

Meinung  von Thorsten Schmidt  08.03.2015

Die Dänen haben es getan! Fast ist man geneigt zu sagen:  wer sonst. Die ersten Schwingtests mit verschiedenen OK-Jollenrümpfen sind durchgeführt worden. Die Ergebnisse sind überraschend,  es finden sich zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den  OK-Jollen verschiedener Hersteller.
Und jetzt, was machen wir mit diesen Ergebnissen?
Seit einigen Jahren wächst die dänische OK-Jollenflotte rasant, viele Segler sind sehr ambitioniert, ehrgeizig und erfolgreich.  Es bleibt nicht aus, das in einem fast semiprofessionellen Umfeld auch in unserer  Amateurklasse Entwicklungen im technischen Bereich insbesondere beim Bootsbau voran getrieben werden.
Versuche zur Gewichtskonzentration beim Bau der OK-Jolle gab es schon vor Jahrzehnten. Auch heute noch geistern Geschichten über angebliche Mogelboote aus deutscher Produktion mit Blei unter dem Holz durch die bierseligen Gespräche zum Thema. Bei der WM in Melbourne waren sichtbar überdimensionierte Beschläge nah am Bootsschwerpunkt beim Boot vom amtierenden dänischen Europameister der Auslöser für die jetzt stattfindenden Schwingtests.
Während man durch in Augenscheinnahme dicke Bleiplatten entdecken kann ist der Nachweis einer Gewichtskonzentration durch konstruktive Maßnahmen im  Bau des Rumpfs, z.B.  die Verwendung unterschiedlich schwerer Schäume  in der Sandwichkonstruktion schwerer nachzuweisen. Hier hilft für den direkten Nachweis letztendlich nur die Probebohrung.
Es sei nochmal daran erinnert: Alle Maßnahmen zur Gewichtskonzentration sind  verboten! Auch die gültige Regel verbietet dies, wer sich darüber wissentlich hinwegsetzt betrügt!
060728_116_JorgenJörgen Lindhardtsen der große alte Mann der OK-Szene und eine moralische Instanz im dänischen Segelsport fordert mehr Fairness und Anständigkeit ein.

Wir sind eine Amateursegelklasse,  die meisten verdienen ihren Lebensunterhalt nicht mit den Erfolgen bei OK-Regatten. Zudem rühmen wir uns zu Recht des freundschaftlichen Umgangs miteinander und der trotz aller sportlicher Konkurrenz bestehenden Kameradschaft. Das Miteinander ist auf den Regatten immer freundlich, respektvoll und von großer Hilfsbereitschaft über nationale Grenzen hinweg geprägt.
Und dennoch bietet der moderne Bootsbau genug Verlockungen um die eigene Performance  mit Hilfe unerlaubter konstruktiver Mittel zu verbessern.
Auch wenn erst seit der Jahreswende die Diskussion darüber öffentlich geführt wird haben die Bootsbauer bereits in den letzten Jahren Fakten geschaffen.  Es ist bereits eine Vielzahl verschiedener Rümpfe mit zweifelhaftem Aufbau entstanden und eigentlich ist der Zug schon deutlich in Richtung Gewichtsoptimierung abgefahren.

Der Appell an Moral und Anstand kommt zu spät und vielleicht verhallt er bei dem einen oder anderen besonders ehrgeizigen OK-Segler auch in Zukunft ungehört.
Was bleibt sind Kontrollen und die Dänen können sich als Verdienst anrechnen lassen nicht nur die Grenzen der Regel ausgetestet zu haben sondern auch den ersten Schritt zur Lösung aus dem Dilemma für unsere Klasse aufgezeigt zu haben.
Der Schwingtest ist offensichtlich auch bei der OK-Jolle  technisch  durchführbar und führt zu reproduzierbaren Ergebnissen.  Für alle überraschend waren die Unterschiede zwischen den 10 getesteten Booten so erheblich, dass das mit großer Wahrscheinlichkeit auch messbare Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Rümpfe hat.
Die Ergebnisse der einzelnen Rümpfe wurden bisher nicht veröffentlicht sondern nur der OKDIA zur Beratung weiter gegeben. Aber es gibt diese Ergebnisse nun, die Büchse der Pandora ist auf. Durch die eine oder andere Indiskretion werden sie trotz aller Bemühungen in den nächsten Wochen auch an interessierte Kreise weiter getragen werden.
Bootseigner, deren Fabrikat nicht vorteilhaft beim Schwingtest abgeschnitten haben werden sich vielleicht frustriert abwenden und die Lust am Regattasegeln verlieren. Bootsbauer, die sich mit ihrer Konstruktion an die Regeln gehalten haben werden vielleicht einen Wettbewerbsnachteil  haben und weniger Boote verkaufen, der Gebrauchtbootemarkt wird nicht mehr funktionieren, ältere Boote sind plötzlich nicht mehr wettbewerbsfähig.

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Das alles darf nicht sein. Die OKDIA muss mit großer Sorgfalt und Verantwortungsgefühl die Wettbewerbsfähigkeit auch älterer Konstruktionen – in Deutschland die meisten Boote, erhalten.  Selbstbauten müssen auch im Schwingtest  vergleichbare Ergebnisse liefern können.
Meiner Meinung nach wird in Zukunft ein Schwingtest Bestandteil der Erstvermessung sein. Die einzuhaltenden Grenzen müssen dabei so gesetzt werden, dass eine möglichst breite Chancengleichheit der verschiedenen Konstruktionen, einschließlich der älteren entsteht.   Bereits gebaute Boote, die diese Grenzwerte im Schwingtest nicht einhalten müssen mit Gewicht im Bug- und Heckbereich nachgerüstet werden.  Mit diesen Maßnahmen fällt auch der Anreiz für Bootsbauer weg zu Lasten der Haltbarkeit der Rümpfe Gewichtskonzentration zu betreiben.
Die Ergebnisse des Schwingtests sollten in Vermessungspapieren für jeden einzelnen Rumpf eingetragen werden unter Angabe der notwendigen Ausgleichsgewichte. Der von der OKDIA angestrebte Jig-Pass für bereits mehrfach auf einer WM vermessene Boote könnte mit den entsprechenden Angaben ergänzt werden.  Während der WM können dann stichprobenartige Schwingtests durchgeführt werden um die Vermessungsprozedur nicht noch weiter auszudehnen.
Der Amateursport insgesamt hat schon lange seine Unschuld verloren.  In Fitnessstudios wird mit Anabolika gedopt,  in der Kreisliga wird der Fußballschiedsrichter bedroht und bei uns werden Gewichte ein und ausgebaut.
Pandora‘s Büchse ist auf, machen wir das Beste daraus.