Im Spielfeld bleiben!

16 Fragen an den amtierenden OK-Weltmeister

Der neue Weltmeister der OK-Jollen kommt aus Deutschland! Für OK-Online blickt André Budzien  zurück auf die Weltmeisterschaft in Puck.

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Foto: Norbert Petrausch

1.  Hallo André, herzlichen Glückwunsch zu Deinem zweiten WM-Titel bei den OK-Jollen. Jetzt, mit dem Abstand von einer Woche, wie hat Dir die WM in Polen gefallen?
Die WM war großartig, eine tolle Organisation, die polnischen Gastgeber haben sich sehr viel Mühe gegeben, wir haben sehr herzliche, offene und freundliche Menschen getroffen mit großer Hilfsbereitschaft und viel Freude an der WM. Nur das Wetter war nicht so schön, worunter aber vor allem meine Familie gelitten hat.

2. Wie lief die Vermessung, gab es größere Probleme, Bleiplatten oder andere Skandale?
Anders als es wohl in Australien gewesen ist, gab es diesmal keine größeren Katastrophen. Die Vermessung lief reibungslos, nicht zuletzt, weil ein zweiter Vermesser aus Deutschland, Klaus Luttkus, den ich auch von den Finn’s kenne, mitgeholfen hat. Nur an einem schwedischen Boot entpuppten sich die vermeintlichen  Bleigewichte als Holzklötze. Schon ein wenig peinlich, das Boot wurde scheinbar so vor einigen Jahren aus Deutschland nach Schweden verkauft. Das Thema der Gewichtskonzentration spielte diesmal keine Rolle und auch sonst sind an den meisten Booten keine größeren Probleme aufgetreten.

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Foto: Tom Lonsdale/Robert Deaves

3. Wie beurteilst Du die Segelbedingungen und das Revier?
Das Segelrevier ist eigentlich ein Binnenrevier. Ich habe mich vorher damit beschäftigt und Erkundigungen eingezogen und mir war klar, dass wir es mit pendelnden Windverhältnissen zu tun haben würden und je nach Wetterlage auch größere Winddreher entstehen würden. So war ich auch am ersten Tag, als viele Segler überrascht waren, gut auf die wechselnden Bedingungen eingestellt.

4. Wie hat die Wettfahrtleitung die extremen Bedingungen gehandelt?
Im Großen und Ganzen hat die Wettfahrtleitung einen guten Job gemacht und wann immer es möglich war die Kurse angepasst. Natürlich gibt bei 40-50° Drehern Diskussionen, ob man nicht ein Rennen hätte besser abschießen müssen. Insbesondere am letzten Tag, als das erste Rennen zu Recht abgebrochen wurde, kann man im Nachhinein fragen warum der nächste Versuch dann durch gewunken wurde, obwohl auf der Zielkreuz der Wind fast ganz aussetzte. Vielleicht waren ja die richtigen Leute vorne.

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Foto: Norbert Petrausch

5. Nachdem Du bei der Kieler  Woche und der Warnemünder  Woche nicht auf dem Podium gelandet bist, wie hast Du den Schalter zur WM umlegen können?
Mit „Schalter umlegen“ hat das nicht viel zu tun. Ich habe ganz bewusst die beiden Regatten vor der WM zum Material testen genutzt. Ich hatte eine große Menge unterschiedlichen Materials zur Verfügung und brauchte Zeit und Gelegenheit die richtige Kombination zu finden. Ich habe bis zum Practice-Race gebraucht um ein optimales Setup zu finden und ein gutes Gefühl zu bekommen. Gerade rechtzeitig zum ersten WM-Start war ich mir sicher eine gute Geschwindigkeit und Höhe zu haben um mit dem nötigen Selbstvertrauen in die Rennen zu gehen. Der gute Bootspeed ist Grundvoraussetzung um Weltmeister zu werden. Zudem war ich körperlich gut vorbereitet und natürlich hat mir meine Familie Sicherheit gegeben, wie ich das ja schon im Vorgespräch prophezeit habe.

6. Wie genau hast Du denn noch rechtzeitig den Extra-Speed  finden können, was hast Du am Material denn noch verändert?
Nach dem ich auf der Kieler Woche noch mit dem Alex-Scoles-Rumpf gesegelt bin habe ich mich dann schon auf der Warnemünder Woche für den Strandberg-Rumpf entschieden. Nicht weil der englische Rumpf langsamer gewesen wäre, sondern weil ich persönlich in der kurzen Vorbereitungszeit einfach ein besseres, oder sichereres Gefühl gehabt habe mit dem gewohnten Rumpf, mit dem ich bereits einige große Meisterschaften gesegelt bin. Auch den Mast habe ich gewechselt. Vom etwas weicheren Ceilidh-Mast in Kiel bin ich zur WM dann mit einem härteren C-Tech gesegelt. Dabei spielt aus meiner Sicht weniger das Fabrikat eine Rolle als einfach die grössere Härte, die besser zu meinen Gewicht und Trainingszustand passt. Erst drei Tage vor dem ersten Rennen hat Charly Cumbley mir dann das passende neue North-Segel zum härteren Mast mitgebracht. Mit Charly habe ich dann noch kurz vor der WM das Feintuning auf dem Wasser gemacht, den Mast etwas nach hinten versetzt und etwas aufrechter gestellt und so war ich praktisch auf den letzten Drücker konkurrenzfähig.

 

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Foto: Norbert Petrausch

7. Gibt es aus Deiner Sicht neue Entwicklungen auf dem Materialsektor? Wer von Deinen Konkurrenten war besonders schnell?
Wenn man in die Ergebnisliste schaut und das verwendete Material betrachtet gibt es eine weite Streuung. Praktisch alle Rumpfhersteller sind vertreten, alle großen Segelmacher der Klasse bauen schnelle Segel. Die Topleute haben aber im Unterschied zu den langsameren ein besseres Setup des Pakets aus Rumpf, Mast und Segel gefunden vor allem hinsichtlich ihrer eigenen körperlichen Voraussetzungen. Ich war sicher nicht der Schnellste an der Kreuz, aber ausreichend schnell um meinen taktischen Plan verfolgen zu können. Auch Joergen Svendsen mit seinem neuen Boot und dem extra dünnen Schwert war schnell, aber eben auch nicht schneller als die anderen Topsegler wie Charly, Bo, Thomas, Stephan oder Greg. Für mich faszinierend ist, wie schnell Joergen Lindhardtsen mit seinem Boot segelt und wie unaufgeregt und wenig angestrengt das von außen wirkt. Einfach souverän-Klasse!

8. Welches taktische Verhalten hattest Du dir vor der WM  vorgenommen?
Ich weiß aus meiner Erfahrung das bei einer Serie von 9 oder 10 Rennen und nur einem Streicher vor allem Konstanz belohnt wird. Wegen der zu erwartenden wechselnden Bedingungen lag mein Augenmerk darin keine großen Punkte einzufahren, sozusagen mir selbst keine faulen Eier ins Nest zu legen. Ich habe relativ früh in der Serie die gelbe Flagge gesehen und habe mich dann in dieser Hinsicht zurückhalten müssen. Umso wichtiger war es in jedem Rennen vorne mit dabei zu sein, Extremschläge zu vermeiden, keine großen Risiken einzugehen und sich selbst nicht unter Druck zu setzen. Wenn man in so einem großen und qualitativ guten Feld als 20er an der Luvtonne ankommt und sich selbst dann sagt, jetzt musst du aber noch unbedingt 10 Schiffe holen,  dann macht man vielleicht unvorsichtige Dinge, neigt zu Extremschlägen und findet sich möglicherweise im Ziel als 50er wieder. Solche Dinge wollte ich unbedingt vermeiden. Ich bin auch ruhig geblieben als Bo am ersten Tag zweimal Erster war. In beiden Rennen habe ich bewusst in guter Position einige Male die Mitte der Kreuz, das Spielfeld, wie ich es immer nenne, eben nicht zu einer Seite hin verlassen um das Risiko eines extremen Drehers zu reduzieren. Ich habe damit zwar den möglichen Laufsieg verschenkt, hatte aber auf diese Weise so früh in der Serie auch Sicherheit auf alle möglichen „Schweinereien“ noch reagieren zu können. Auch bei meinem ersten WM-Sieg 2012 in Dänemark im Feld mit 150 Booten konnte ich kein Rennen gewinnen, aber ich war am Ende mit dieser Taktik erfolgreich.

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Foto: Norbert Petrausch

9. Viele der Top-Favoriten hatten bereits früh in der Serie einen ordentlichen Streicher z.B. durch Black Flag eingefahren. Hast du Dich bei den vielen Starts besonders zurückgehalten, bist Du konservativ in der Mitte gestartet?
Im Gegenteil, ich habe immer versucht auf der bevorteilten Seite zu starten und bei der langen Startlinie nicht in der Mitte die üblichen Meter zu verschenken. Das Feld war aber sehr nervös und wir haben praktisch kein Rennen ohne Gesamtrückruf auf den Weg gebracht. Jedes der Rennen wurde letztendlich unter Black Flag gestartet und häufig waren einige der Topsegler als Frühstarter dabei. Meine Strategie am Start war eine Lücke auf der richtigen Seite zu suchen, sich im Sichtschatten der Boote in Lee und Luv nur einige Zentimeter zurück zu verstecken aber mit den anderen anzuziehen. Auch wenn ich vielleicht über der Linie war, so wie mein unglücklicher Nebenmann, wurde ich nicht gesehen von der Wettfahrtleitung, war aber am Start mit dabei. Das hat gut geklappt und war dringlich erforderlich, um die taktische Entscheidungsfreiheit zu behalten. Offensichtlich habe ich mit meiner Familie sooft über diese Dinge gesprochen, dass die beiden mich jeden Morgen mit dem immer gleichen Spruch auf die Bahn geschickt haben: Guter Start-keine Black Flag-im Spielfeld bleiben! Das war nachher wie ein Mantra für mich.

10. Die Rennen waren teilweise geprägt durch erhebliche Dreher.  Wie hast Du es geschafft immer auf der richtigen Seite zu sein? War das Glück? Hast Du eine besondere „Nase“ für die Dreher oder orientierst du Dich an den anderen Favoriten?
Ein wenig kenne ich mich aus mit drehenden Windverhältnissen, schließlich habe ich das Segeln auf dem Schweriner See gelernt. Eine besondere Nase habe ich aber nicht und bei 40-50°-Drehern braucht man manchmal auch ein bisschen Glück. Ich wusste aber, dass der Wind pendeln würde und es war wichtig den Rhythmus der Winddrehungen mit aufnehmen zu können. Deswegen hatte der Start eine so große Bedeutung: Nur wer am Start nicht zu tief gesegelt ist und schnell auf dem jeweiligen Streckbug war, hatte die Entscheidungsfreiheit die Winddrehungen mitzunehmen. Wenn man von Booten in Luv eingebaut ist und beim Oszillieren des Winds erst einige Sekunden warten muss bis alle gewendet haben verliert man schnell viele Meter. Am ersten Tag waren die einzelnen Zeiträume zwischen den Drehern viel länger, als ich es erwartet hatte, so etwa 4-5 Minuten und ich hatte einige Schwierigkeiten den Rhythmus zu finden und dabei vor allem im „Spielfeld“ zu bleiben, weil die Kreuz insgesamt nur 15 Minuten dauerte. Ab dem zweiten Tag pendelte der Wind so wie ich es erwartet hatte, alle 1-3 Minuten, und ich konnte schnell den Rhythmus aufnehmen.

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Foto: Norbert Petrausch

11. Hattest Du auf  einem der Kurse besondere Vorteile?
Auf der Kreuz konnte ich gut mitfahren, war aber sicher nicht schneller als die anderen. Raumschots waren die Dänen sehr schnell, insbesondere Bo, das Training scheint sich hier auszuzahlen. Aber auch Thomas Handson-Mild war sehr schnell und vielleicht sind da die weicheren Masten doch besser, weil sie im Masttoppbereich schneller arbeiten. Ich war sicher auf dem Vorwindgang am schnellsten. Der härtere Mast bietet hier einen Vorteile und wenn man sich auch bei viel Wind traut maximal übergeigt die Welle herunterzufahren, dann kann man schon einige Meter gewinnen. Wer am mutigsten ist und am tiefsten fährt ist am schnellsten.

12. Teilweise war sehr viel Wind, liegt Dir das mehr als die Flauten-Rennen?  Deinen Streicher (Anmerkung der Redaktion 17. Platz ) hast Du schließlich im Rennen mit dem wenigsten Wind eingefahren.
Natürlich kommt mir meine Physis bei viel Wind entgegen, ich bin körperlich in guter Form und gehöre eher zu den schwereren Seglern. Deshalb segle ich auch lieber bei viel Wind. Solange ich noch auf der Kante sitzen kann fährt es noch, wenn ich aber auf den Traveller rutschen muss fehlt mir einfach das Gefühl und viele Trainingsstunden auf der OK. Im Finn ist es übrigens genau anders herum. Da gehöre ich zu den Leichten im Feld, habe so einen Vorteil und segle dann meist auch erfolgreicher.

13. Wie bist Du als deutlich Führender und ohne richtigen Streicher in den letzten Segeltag  gegangen? Vielleicht mit dem Gefühl jetzt bloß nicht überheblich werden oder doch mit schlotternden Knien?
Weder noch: Ich war beim ersten Rennen des Tages konzentriert und bin am Start in der Nähe von Jim Hunt, dem Zweiten der Gesamtwertung geblieben. Durch eine Unachtsamkeit habe ich auf der Startkreuz dann nur kurz die Kontrolle über ihn verloren und Jim ist mir entwischt. Kurze Zeit später wurde das Rennen glücklicherweise abgebrochen und es stellte sich heraus, dass Jim bei diesem Start ein BFD kassiert hatte.  Vor dem letzten Rennen konnte so außer mir nur noch Pawel Weltmeister werden. Dazu musste er das Rennen gewinnen und ich schlechter als 15. werden. Ich habe versucht wieder neben meinem Konkurrenten zu bleiben. Dabei hatte ich einen guten Start und Pawel bekam bei dem Versuch sich aus den Abwinden zu befreien die gelbe Flagge, seine zweite und er musste aufgeben.  Der Rest des letzten Laufs war dann Genusssegeln für mich.

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Foto: Norbert Petrausch

14. Nach 2012 im 150-Boote-Feld von Valensbek/Dänemark bist Du nun zum zweiten Mal OK-Weltmeister. War es diesmal einfacher?
Ich denke alles in allem war es diesmal sogar etwas schwieriger. In Valensbek war durch das zusätzliche Startschiff in der Mitte die Beurteilung der Startlinie deutlich leichter. Zudem waren die Dreher in Polen dramatischer und schwerer vorhersehbar.  Insgesamt ist aber vor allem die Leistungsdichte international noch grösser als vor 3 Jahren, auch wenn der Punktevorsprung auf der Ergebnisliste bei der aktuellen WM deutlicher ausfällt.

15. Wie beurteilst  Du das Niveau der WM insgesamt und die Entwicklung der OK-Klasse international?
Das taktische Niveau der OK-Klasse ist extrem hoch und durch viele gute Segler die in den letzten Jahren zur Klasse dazu gekommen sind nochmal deutlich angestiegen. Während der Finn viel größere athletische Ansprüche an den Segler stellt, die nur noch durch professionelles Training zu erfüllen sind, sind in der OK vor allem taktische Fähigkeiten gefragt. International kann man im Finn nur als Topathlet mithalten maximal bis zu einem Alter von 40 Jahren. Die OK stellt ebenfalls athletische Ansprüche, die aber auch gut trainierte Segler jenseits der 40 erfüllen können und so wird die OK-Klasse zum Sammelbecken für sportliche Taktikfüchse und bietet damit einen enormen Reiz für alle ambitionierten Amateursegler. Ich habe den Vergleich zur Finnklasse und ich denke die OK wird in der Öffentlichkeit häufig falsch wahrgenommen und insgesamt unterschätzt. Das seglerische Niveau in der Klasse, aber auch die körperlichen Anforderungen, die dieses Boot stellt machen diese Klasse sehr interessant auch für jüngere sportlich ambitionierte Einhandsegler.

16. Andrè, herzlichen Glückwunsch nochmal und vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Sehen wir uns im Oktober auf der Deutschen Meisterschaft in Potsdam?
Na klar!

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Foto: Tom Lonsdale / Robert Deaves