Welcher Reynolds?

Was die OK-Jolle mit Hollywood zu tun hat!

von Frank Strelow 03.02.2024
In der Jugend hatte ich eine Vaurien-Jolle aus Holz, die gestrichen war und bei der ich das Unterwasserschiff mit Nassschleifpapier behandelt habe. Das fühlte sich immer ganz glatt an und ich dachte ein besonders schnelles Unterwasserschiff zu haben. Bei meinen OKs habe ich das nie gemacht, weil ich weder Gelcoat, noch jetzt den Autolack auf meiner Strandbergjolle zerstören wollte.

Stattdessen habe ich einmal im Jahr das Boot, und insbesondere den Rumpf, poliert. Besonders gerne mit teflonhaltigen Materialien und glaubte damit etwas für die Geschwindigkeit meines Jollers zu tun.
Wahrscheinlich war der einzige Effekt der, dass ich nach einer Durchkenterung noch schlechter auf die Rückseite des Bootes kam, um es wieder aufzurichten. Dies ging solange ohne von mir kritisch hinterfragt zu werden, bis Christian Kirchner in die OK-Szene eintrat und sich über meinen Eifer beim Polieren und die Gründe dafür lustig machte. Er erklärte mir, dass das was ich da machte zwar vielleicht für die Pflege des Bootes, aber nicht für seine Geschwindigkeit hilfreich sei.
Er redete immer von einer Reynoldszahl, die sich durch das polieren nicht verbessere. Ich fragte ihn, was denn der alte Burt Reynolds aus der Traumfabrik mit meinem Boot zu tun habe. Erfuhr dann aber, dass die Reynoldszahl (Reynoldszahl= (Strömungsgeschwindigkeit X Länge des Strömungssystems/Bootslänge)/dynamische Viskosität der strömenden Flüssigkeit) etwas mit Strömungslehre zu tun hat.

Hier vielleicht noch ergänzend zu der Strömung entlang des Bootsrumpfes: Bestenfalls startet die Strömung des Wassers laminar, also mit wenig Reibung und wird ab einer bestimmten Strecke turbulent, die Reibung nimmt ab hier stark zu, eine turbulente Schicht bildet sich aus. Unter dieser Schicht befindet sich die sogenannte Grenzschicht. Die Ausbildung der Grenzschicht ist von einer Rauheit der Oberfläche abhängig, hydraulisch glatt galt immer als das Maß der Dinge. Hierzu ist aber keine Politur erforderlich, ein sauberes Boot ohne Kratzer und Macken reichen aus. Eine gute Abhandlung hierzu findet man bei Wikipedia unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Law of the wall.

Ich habe für diesen kleinen Artikel dann nochmals in Chats im Internet reingesehen, wo fleißig über für und wieder von Nassschliff (dann mindestens mit 1000er Nassschleifpapier) versus nur glatter, aber sauberer Oberfläche unter dem Boot diskutiert wird. Hier kommen die selbsternannten Experten zu keinem Schluss. Wenn man sich jetzt aber die Formel nochmals ansieht, ist es auch für mich verständlich, dass bei der relativ geringen Geschwindigkeit einer OK-Jolle, und damit geringeren Beeinflussung des Zählers in der Formel als zum Beispiel bei einem Motorboot, der Oberflächenbehandlung eine geringere Bedeutung zukommt. Viel wichtiger ist daher die sorgfältige Behandlung der Foils, da hier die Strömung einen wesentlich höheren Einfluss hat. Insbesondere ist auf ein gleichmäßiges Profil ohne Dellen und Kratzer, besonders im vorderen Drittel, zu achten und natürlich auf Macken im Anströmbereich und den Abrisskanten.

Fazit:
-Boot ruhig mal polieren aus pflegerischen Gründen, aber Nassschliff gut überlegen und nicht bei Gelcoat
-Schwert und Ruderblatt besonders aufmerksam kontrollieren und auch kleine Macken ausbessern
-vor der neuen Saison das Boot ruhig mal von unten inspizieren
-wahrscheinlich ist vor allem der psychologische Effekt, wenn man glaubt ein schnelles Unterwasserschiff zu haben, nicht zu unterschätzen

In diesem Sinne

Team Niederrhein